Return of the Obra Dinn

Return of the Obra Dinn

Return of the Obra Dinn

Story:

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Ein Spiel, das sich selbst als Versicherungsabenteuer bezeichnet, klingt erst einmal nicht so spannend. Doch man sollte sich nicht abschrecken lassen, denn immerhin wurde Return of the Obra Dinn von Lucas Pope entwickelt, der bereits in Papers, Please! aus einem eher drögen Thema ein herausragendes Spiel machte.

Meinung:

In Return of the Obra Dinn geht es um das gleichnamige Handelsschiff Obra Dinn, das 1802 mit 200 Tonnen Fracht von London aus gen Orient startete. Nachdem es auch sechs Monate später den vereinbarten Treffpunkt am Kap der Guten Hoffnung noch nicht erreicht hatte, wurde das Schiff als verloren auf hoher See eingestuft.
Fünf Jahre später, am Morgen des 14. Oktobers 1807, tauchte das Schiff plötzlich am Hafen von Falmouth wieder auf – die Segel lädiert, von der Crew nichts zu sehen. Nun ist es unsere Aufgabe, als Versicherungsdetektivin oder Versicherungsdetektiv des Londoner Büros der Ostindien-Kompanie eine Bestandsaufnahme der Schäden durchzuführen und herauszufinden, was an Bord passierte.

Grafik wie vor 30 Jahren
Obwohl die Story wirklich interessant klingt, ist das erste, was einem bei dem Spiel ins Auge sticht, dessen Grafikstil. Lucas Pope hat sich nämlich für einen sehr eigenwilligen Stil entschieden, der sehr an die einfache, monochrome Grafik früherer Computer erinnert. Tatsächlich scheint es so, als ob Pope genau das bezwecken wollte, nicht umsonst wird sonst in den Grafikoptionen Commodore 1084 oder Macintosh zur Auswahl stehen.
Ob einem dieser Grafikstil nun zusagt oder nicht, ist natürlich Geschmackssache. Drei Dinge schafft Pope damit aber auf jeden Fall: Es sticht aus der Masse heraus, es ist Gesprächsthema und es passt sehr gut zu dem ganzen mysteriösen Setting.

Der zeitreisende Versicherungsdetektiv
Obwohl die Grafik also sehr auffällig ist, ist sie für den eigentlichen Spielverlauf aber vollkommen irrelevant. Das Spiel würde nämlich auch mit jeder anderen Art von Grafik funktionieren. Vielmehr ist es ein anderes Feature, das das Spiel wieder so außergewöhnlich macht. Aus irgendeinem nicht näher erklärten Grund verfügt unser Charakter nämlich über eine magische Taschenuhr, mit der wir in der Zeit zurückreisen können. Dies geschieht immer dann, wenn wir eine Leiche an Bord des Schiffes entdecken. Dann zücken wir nämlich unsere Taschenuhr, woraufhin wir zunächst einen Dialog zu hören bekommen, um anschließend in einem Standbild des Todeszeitpunktes zu stehen. Dort können wir die Szenerie begehen und so alles Wissenswerte zusammentragen. Auf welche Art ist das Opfer gestorben? Welche Aufgaben hatten die Personen an Bord? Was hatten sie an? Wurde eine der am Tatort befindlichen Personen mit Namen angesprochen? Wurden möglicherweise andere Fakten genannt? All das tragen wir in unser Buch ein, über das wir die eigentliche Detektivarbeit betreiben. Mit Hilfe der gefundenen Hinweise, Karten und Aufstellungen der Besatzung deduzieren wir anschließend nämlich alle Verbindungen, bis wir schließlich den Mörder einkreisen können.

Jedes Detail zählt
Der erste Mord ist dabei schnell aufgeklärt. Doch schon bald merkt man, dass der Schwierigkeitsgrad erheblich ansteigt. Manchmal müssen wir nämlich sogar zwischen verschiedenen Mordszenarien hin und her wechseln, um eventuelle Verbindungen zwischen den Geschehnissen oder bestimmten Personen herauszufinden. Genau das ist es, was dieses Spiel so besonders macht. Es lässt einen tatsächlich zu einem echten Detektiv werden, der jedes noch so kleine Detail wahrnehmen muss. Das Spiel selbst hilft einem dabei kein Bisschen. Es gibt keinerlei Hinweise, welche Information eventuell noch fehlt oder wo diese zu finden ist. Man muss wirklich alles selbst herausfinden. Selbst ob eine Deduktion richtig war, erfährt man nicht sofort, denn bevor einem das Spiel sagt, ob man mit einer Vermutung richtig liegt, muss man zunächst drei Morde in einem Kapitel aufklären. Erst dann offenbart das Spiel, ob wir mit unseren Vermutungen richtig liegen und lässt uns in der Geschichte fortfahren.
Bis dahin kann einige Zeit vergehen, denn anders als etwa in den letzten beiden Sherlock Holmes-Spielen von Frogware können wir hier nicht auf gut Glück irgendwelche Ergebnisse herleiten. Dafür gibt es hier einfach viel zu viele Variablen.
Wer denkt, dass das Ganze dann recht schnell frustrierend werden kann, irrt sich. Ganz im Gegenteil, man entwickelt sehr schnell einen unglaublichen Ehrgeiz, auch den letzten Hinweis noch zu finden, um ja den richtigen Mörder zu identifizieren.

Nur ganz wenig Negatives
Aber nicht nur der eigene Ehrgeiz sorgt dafür, dass man immer weitermachen möchte. Auch die Story trägt ihren Teil dazu bei, denn umso mehr wir herausfinden, desto fesselnder wird die Geschichte und lässt einen irgendwann gar nicht mehr los. Unterstützt wird dieses Gefühl durch die tolle Sounduntermalung. Pope erschuf nämlich einen Soundtrack, der je nach Situation dramatischer wird. Zudem haben die englischen Synchronsprecher eine hervorragende Leistung abgeliefert, weshalb man eine deutsche Synchro zu keiner Zeit vermisst.
Ohnehin muss man sagen, dass einem an Return of the Obra Dinn nur ganz wenig Negatives auffällt. Da wäre zum Beispiel der fehlende Wiederspielwert – doch damit haben ja alle Detektivspiele zu kämpfen. Zudem stört es ein wenig, dass man jede Szene erst durch eine Tür verlassen muss, anstatt einfach von einer zur nächsten wechseln zu können, was das Deduzieren manchmal etwas erschwert. Im Laufe der knapp 12-stündigen Spielzeit gewöhnt man sich allerdings daran, weshalb man irgendwann ganz automatisch zur nächsten Tür läuft. Ansonsten wüsste ich persönlich aber nicht, was mir nicht gefallen hätte. Selbst die Steuerung, die in solchen Spielen mitunter ja gerne mal etwas hakelig wirkt, geht hier tadellos von der Hand.

Fazit:
Detektivspiele sind eigentlich nichts Neues. Doch Lucas Pope schafft es mal wieder, sein Spiel auf eine neue Stufe zu bringen. Hier muss man tatsächlich zum Detektiv werden, der keinen noch so kleinen Hinweis übersehen darf, um alle Morde, die auf dem mysteriösen Schiff stattfanden, lösen zu können. Dass einem das Spiel dabei keinerlei Hilfestellung bietet, ist ungewöhnlich, aber eben auch das Faszinierende. Man ist wirklich komplett auf sich allein gestellt, sodass einen, wenn man dann irgendwann erfährt, dass man die richtigen Schlüsse gezogen hat, ein echtes Glücksgefühl überkommt, was man so leider nur noch selten in Spielen erlebt. Wer auch nur ein Bisschen für Rätselspiele übrig hat, sollte sich diesen sowohl spielerisch als auch stilistisch ganz besonderen Genrevertreter also auf keinen Fall entgehen lassen!