Mit Anna erschien 2012 ein Horror-Adventure eines kleinen, italienischen Entwicklers namens Dreampainters. Das besondere an dem Spiel war, dass das klassische Point'n'Click-Gameplay in eine First-Person-Perspektive übertragen wurde – das aber richtig, und nicht auf die Pseudo-Art, wie man sie aus einigen First-Person-Adventures kennt, bei denen nur das Bild gewechselt wird, und man lediglich eine Rundum-Ansicht eines jeden Bildes betrachten kann. Anna schnitt im Durchschnitt mit nur 50% ab, fand aber dennoch seine Fangemeinde. Die Entwickler haben sich sogar die Kritik der Spieler zu Herzen genommen, woraufhin nun Anna - Extended Edition von Kalypso in die hiesigen Läden gebracht wurde. Wer Anna schon besitzt, z.B. auf Steam, erhält ein kostenloses Update. Wer möchte, kann trotzdem noch immer die originale Version auswählen. Warum das so ist, was sich bei der Extended Edition geändert hat, und worum es überhaupt geht, all das erfahrt ihr hier.
Meinung: The Starship Damrey versprach mir ein Spiel ohne Erklärungen. So ganz konnte das Versprechen aber nicht gehalten werden (auch wenn ich die Story des Spiels gut fand), denn die interne KI hat viel erklärt. Bei Anna sieht es völlig anders aus, und genau das hat mich sofort fasziniert. Der Protagonist, der um seine große Liebe Anna trauert, ist wie in Trance zu einer alten Sägemühle in Italien gelaufen. Viel mehr erfährt man in der originalen Version erstmal nicht. In der Extended Edition gibt es noch ein Tagebuch, in das der Hauptcharakter einige Tage zuvor schon etwas geschrieben hat, und weiterhin aufschreibt, was im Spiel geschieht. In beiden Fällen steht erstmal die Sägemühle vor einem. Irgendwie muss man da rein, und wie man das macht, ist in beiden Versionen unterschiedlich. Wenn man zuerst die originale, und dann die neue Version spielt, gibt es sogar einige Überraschungen. An manchen Stellen kann man wirklich sagen, dass es zwei unterschiedliche Spiele sind.
Zwei Welten So gibt es in der erweiterten Fassung Türen, an deren Stelle vorher nur eine Wand war. Da ist das Mühlrad komplett defekt, dort dreht es sich noch. In der einen Version sind bestimmte Dinge schon so vorhanden, wie man sie braucht, in der anderen muss man erst noch ein wenig rätseln und kombinieren. Dafür ist in der anderen Version an anderer Stelle etwas mehr zu tun. Insgesamt gibt es aber in der Extended Edition mehr Inhalt, und die Rätsel sind logischer. Alte Adventure-Hasen kommen aber auch in der originalen Fassung irgendwann auf die Lösung.
Hin und wieder sieht man Geistererscheinungen, oder hat Visionen. Man hört auch Stimmen, und Gejammer. Aber auch das ist nicht in beiden Versionen deckungsgleich. In der neuen Version gibt es im Inventarbildschirm einen Balken, der anscheinend sinken kann, und der auch in der Originalversion vorhanden, aber eben nicht sichtbar war. Ich wusste erst, für was dieser Balken ist, als ich es irgendwo nachgelesen habe – wirklich schön, dass einem nicht alles direkt im Spiel auf die Nase gebunden wird. Ich will jetzt auch nichts spoilern, aber der Vergleich zu einem gewissen Gamecube-Spiel, das viel zu wenig Leute gekauft und gespielt haben, liegt nahe. Mir fehlte aber etwas der Grusel, da man in einem Adventure, in dem man sich nicht wehren kann, natürlich auch nicht sterben kann. Anscheinend gibt es aber dennoch die Möglichkeit, dass das Spiel vorzeitig beendet wird. Bei schreckhaften Spielern könnte der Balken auch tatsächlich sinken, aber auch hier möchte ich nicht zu viel verraten.
Grüneres Gras Interessant ist z.B. noch, dass es im Original drei, und in der Extended Edition acht verschiedene Enden gibt. In letzterer ist ein Ende auch sehr schnell erreichbar, es heißt „Die richtige Entscheidung“, und ich habe bisher kein Spiel gesehen, das so etwas anbietet. Sehr schön, aber am besten immer wieder mal einen Speicherstand anlegen.
Die Extended Edition ist grafisch um einiges stärker, allerdings auch leistungshungriger. Auf meiner inzwischen doch etwas betagten Hardware war das aber kein Problem, sobald ich meinen Speicherfresser Firefox (ok, ich gebe zu, mit vier offenen Fenstern und unzähligen Tabs) in die Schranken verwiesen, und den Rechner mal wieder neu gestartet hatte, statt ihn immer nur aus dem Schlaf zu rütteln. Die Grafik ist auch stellenweise sehr gelungen, manche Stellen sehen dann wider nicht so gut aus. Licht- und Schatteneffekte sind ebenfalls gelungen, und über alle Zweifel erhaben ist die Musik, die so richtig für die Atmosphäre sorgt. Wenn man draußen vor der Sägemühle steht, das grüne Gras, den fließenden Bach (der in der EE richtig toll aussieht) und ringsum die Berge bertrachtet, kommt man niemals darauf, was einen im Haus erwartet – auch wenn das Genrekenner nicht schocken wird. Mir erschien der Grusel in der EE sogar etwas subtiler. Erschreckender waren für mich weniger die Geistererscheinungen als das, was der Protagonist letztlich alles macht, um das Rätsel zu lösen. Immer wieder wird man von einer Stimme gewarnt...
Kritik verstanden und umgesetzt Die beste Änderung, die Anna in der Extended Edition erfuhr, betrifft das Interface und besonders die Handhabung des Inventars. Das ist in der originalen Fassung etwas umständlich geraten, und wurde in der neuen gut gelöst. Auch kann man sich nicht mehr sein Inventar mit Steinen vollstopfen (die man zuvor gar nicht gebraucht hat, und die nach dem Betreten der Mühle eh weg waren), sondern der Charakter sagt, dass er schon einen Stein hat. Solche Gegenstände lassen sich nämlich oft einzeln aufheben, und mit per Gedrückthalten der Maustaste (alt rechts, neu links) lassen sich auch viele Gegenstände direkt bewegen. So muss man z.B. Dinge wegräumen, um wichtige Gegenstände freizulegen, oder Türen auf diese Art öffnen.
All das, verbunden mit der Egoperspektive, zeigt, wie man Adventures auch gestalten kann, ohne auf das klassische 2D-Gameplay zurückzugreifen. So wie es Metroid Prime für das Genre des Action-Adventures gezeigt hat (und leider wenig Nachahmer fand, am ehesten könnte man noch Bioshock als First-Person-Action-Adventure bezeichnen). Ich hoffe doch, dass es noch mehr Entwickler gibt, die ein Adventure in dieser Perspektive für eine gute Idee halten, denn dadurch kann man doch mal richtig mit einigen alten Konventionen brechen.
Etwas nervig ist wie bei Omerta nur mal wieder der Launcher von Kalypso, der einen nur ins Spiel lässt, wenn man sich anmeldet. Ist man offline, ist das gar kein Problem, dann taucht er gar nicht auf, und man kann direkt nach Auswahl der Version spielen. Wozu muss ich aber bei einem Singleplayerspiel ohne Onlinefeatures eingeloggt sein, sobald mein Rechner online ist? Es bietet absolut keinen Mehrwert, und man weiß ja nicht, was im Hintergrund geschieht.
Fazit: Es ist einfach faszinierend, wenn man beide Versionen des Spiels spielt, und dann vergleicht. Adventurefans, die auch eine etwas gruselige Atmosphäre mögen, machen mit Anna - Extended Edition – ob auf Steam für knapp zehn Euro oder als Retailversion für etwa 20 Euro – absolut nichts falsch, trotz der zahlreichen negativen Rezensionen der Originalversion. Klar, das Spiel hat so einige Ecken und Kanten, und einige Rätsel sind nicht gerade logisch, aber ich finde es trotzdem gelungen.
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