Man sollte nicht achtlos im Internet herumsurfen, denn sonst passiert es, dass man auf eine merkwürdige Webseite stößt, auf der Runen zu sehen sind und ehe man sich versieht, ist man auf einmal in einer Steampunk-Welt gelandet, in der aktuell Krieg herrscht.
Meinung:
Die Rückkehr des Lords! Wer in den 80er und 90er Jahren als PC-Spieler aufwuchs, der kam, wenn er RPGs liebte, nicht um die Ultima-Reihe herum. Sie war lange Zeit einer der besten Repräsentanten dieses Genres, stilprägend sogar für die damalige Zeit. Erschaffen wurde die Reihe von Richard Garriott, der als Lord British sogar eine wichtige Spielefigur in der Reihe war. Doch irgendwann verkaufte er sein Entwicklungsstudio Origin an EA und zog sich zurück. Wobei er immer noch gewisse Rechte an seinem Kind besitzt, so dass ein neues Ultima nicht ohne seine Zustimmung entwickelt werden kann.
Es gibt zwar immer noch Ultima Online, das ursprünglich 1997 herauskam und sich als erstaunlich langlebig herausstellt, aber trotzdem gibt es eine gewisse Lücke, die jetzt mit Shroud of the Avatar: Forgotten Virtues geschlossen werden könnte. Das besondere daran ist, dass Richard Garriott, Lord British himself, als Creative Director wesentlich mit an der Entwicklung beteiligt war.
Offline? Online! Das Spiel hat eine lange und turbulente Entwicklungsgeschichte hinter sich, denn das Game ist seit 2014 via Early Access erhältlich und jetzt seit dem 27. März offiziell fertig und käuflich zu erwerben. Allerdings nur die erste Episode. Weitere sollen dann im Laufe der Zeit folgen. Trotzdem ist schon das bereits vorhandene Material mehr als ausreichend, um einen über lange Zeit zu unterhalten.
Wer allerdings bei Shroud of the Avatar ein pures Offline Singleplayer RPG erwartet, der wird enttäuscht sein. Der Kern des Spiels ist ein Online-Modus, wodurch das Game zu einem MMORPG wird. Es gibt zwar auch eine Option, es offline zu spielen, doch im Rahmen des Tests war diese Option nicht auswählbar und hätte extra noch gekauft werden müssen.
So viel Text! Wie öde. Das Spiel fängt mit einem interessanten, gezeichneten Intro an, das zeigt, wie der Spieler quasi in das Spiel hineingezogen wird. Wer genau hinsieht, sieht übrigens eine Illustration von Richard Garriott, gemäß eines berühmten Fotos von ihm und dann geht es auch mit dem Spiel los. Zunächst ist man ein gestaltloser Umriss, bis man schon nach kurzer Zeit zu einem Tempel kommt, in dem man ganz nach RPG-Manier mit ein paar Fragen seine Charakterklasse festlegen kann. Jedoch kann man diese nach dem Ende der Frage- und Antwortrunde nochmal in die gewünschte umändern.
Bereits hier zeigt sich das erste Problem von Shroud of the Avatar, denn bis man zu diesem Moment kommt, muss man wahre Textwüsten über sich ergehen lassen. Das heißt, die NPCs reden sehr viel und man selbst darf nur anhand einiger weniger Stichwörter das Gespräch lenken. Wenn man Pech hat und nicht aufpasst, klickt man aus Versehen auf ein erneut auftauchendes Stichwort, wodurch man dann den jeweiligen Textblock nochmal über sich ergehen lassen darf, denn leider ist das Geschriebene uninteressant und nicht besonders abwechslungsreich. Noch schlimmer: Es ist auf Dauer langweilig und eintönig, da auch die Präsentation nicht eben berauschend ist. Man erhält auch kein Gefühl für den eigenen Charakter, der so kontur- und profillos bleibt.
Große Story, kleine Story Nachdem man seinen Charakter erstellt hat, kann man sich in die große, weite Welt aufmachen, natürlich geleitet von einer Art Kompass, auf dem man erkennen kann, wo man als nächstes hingehen sollte. Zwischendurch wird man auch in ein paar Kämpfe verwickelt, die man mit Mühe und Not gewinnen kann. Dann ist man in der nächsten Siedlung und kann Quests absolvieren. Schnell erhält man ein Bild davon, was in der Welt gerade geschieht.
Hier zeigt sich die große Diskrepanz in diesem Spiel. Die Haupthandlung des Spiels, die Weltbeschreibung und das Weltgeschehen sind fantastisch. Der Krieg, auf den man zu Beginn stößt, geschieht zunächst mehr im Hintergrund und ist trotzdem präsent. Die persönliche Erzählung enttäuscht hingegen. Es ist das Gefühl, nur ein kleines Rad zu sein, dessen Aktionen zwar groß beschrieben werden, am Ende jedoch keine Auswirkungen haben. Denn egal, was man tut, es scheint niemanden zu interessieren, was auf Dauer sehr demotivierend ist.
Fortschritt, mühsam erarbeitet Was ebenfalls der Motivation abträglich ist, ist die Tatsache, dass das Kämpfen in diesem Spiel sehr mühsam ist. Vor allem wenn man solo unterwegs ist, kann man schon früh in Situationen geraten, in denen man sterben wird. Das Spiel ist sehr herausfordernd und leider auch sehr grindlastig. Selbst der kleinste Spielefortschritt erfordert von einem Spieler mühsames und mühevolles Leveln. Dementsprechend langsam schreitet das Gameplay voran, was schnell ermüdend wird. Klar, Grinden gehört irgendwo zu einem RPG dazu, aber ein so heftiges und vor allem schon frühes Auftreten davon ist unverständlich und dem Spielspaß abträglich.
Die Grafik hat Licht- und Schattenseiten. Großartig ist das Design einiger Gegenden in der großen Spielewelt geworden. Einige Landschaften sind wahre Gemälde geworden, vor allem mit den unglaublichen Lichteffekten. Aber was die Darstellung der Charaktere angeht, hat man das Gefühl, dass man es hier mit Holzpuppen zu tun hat, die lieblos angemalt und animiert wurden. Es ist ein Kontrast, der einfach nur weh tut, weil das einfach nicht sein muss. Es ist unerklärlich, dass man in einem wundervollen Wald zu Beginn steht, nur um dann aus der Immersion rausgeworfen zu werden, wenn man sich die Spielfiguren ansieht. Die Musik hingegen ist gut geworden, mit einigen gelungenen Melodien. Hier hat man gemerkt, dass hier jemand gearbeitet hat, der sein Herzblut reingesteckt hat.
Fazit:
Shroud of the Avatar ist ein Spiel, das einen ratlos zurücklässt. So manche Designentscheidung wirkt merkwürdig und unerklärlich. Man hat hier wunderbare Landschaften, mit unglaublichen Lichteffekten, während das Charakterdesign enttäuschend ist. Die große Story ist unglaublich geworden, während die persönliche, die man mit der eigenen Spielfigur erlebt, einen kalt zurücklässt. Sehr viel wird über wahre Textwüsten erzählt, die nicht gut geschrieben sind, während das Kämpfen herausfordernd ist und das Game zu früh enorm grindlastig gerät. Das Schlimme ist ja, dass das Game durchaus Potential hat, es dieses aber auf Grund der ganzen Designentscheidungen vergeudet. Was unterm Strich einfach nur… enttäuschend ist.
Fazit von Kai Wommelsdorf: Ich habe Shroud of the Avatar auf Kickstarter unterstützt, wo uns Backern eine würdige Singleplayer-Fortsetzung im Geiste der Ultima-Reihe versprochen wurde. Dass das Endprodukt von diesem Ziel meilenweit entfernt ist, kann man sich nach diesem Test wohl deutlich vorstellen. Das Spiel ist zu einem MMO mit einer schier unendlichen Fülle an Microtransactions verkommen. Mindestens einmal pro Monat werde ich seit Ende der Kickstarter-Kampagne per Mail um mehr Geld angebettelt. Da werden neue Häuser und ganze Schlösser aber auch jede Menge Kleinigkeiten angeboten, mit denen ich ein Spiel weiter unterstützen soll, das fernab jeglicher Versprechen gelandet ist. Nachdem ich äußerst zivilisiert diesen Umstand auf der Facebook-Seite des Spiels geäußert habe, wurde ich dort geblockt. Das ist mal Kundenservice! Dass das Spiel aufgrund der Wertungen für Sound und Steuerung an eine 7 heranreicht, sollte niemanden in den Glauben verfallen lassen, dass es eine gute Idee wäre, hierfür Geld auszugeben.
Bewertung Du kannst dieses Game hier benoten. Wohlgemerkt soll nicht die Rezension, sondern das Game an sich bewertet werden! Du hast also dieses Game gespielt? Dann bewerte es hier. Die Benotung erfolgt mit Sternen. Keine Sterne entsprechen der Schulnote 6. Fünf Sterne entsprechen der Schulnote 1.