WRC: Rally Evolved
Entwickler:
Evolution Studios
Publisher:
Sony Computer Entertainment
Genre:
Sport
USK Freigabe:
Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
60 €
Systeme:
PlayStation 2
Inhalt:
Für die nunmehr fünfte Auflage der WRC-Serie haben die Evolution Studios sich von der Nummerierung verabschiedet und stattdessen den Untertitel Rally Evolved gewählt. Das ändert aber nichts daran, dass die WRC-Titel immer noch die einzigen Spiele mit der offiziellen FIA-Lizenz der Rallye-Weltmeisterschaft sind. Im Gegensatz zum recht dröge präsentierten Formel Eins 2005, dem zweiten von Sony vertriebenen Motorsportspiel mit Exklusivlizenz, kann WRC: Rally Evolved aber zum Glück eine gehörige Portion Original-Atmosphäre aufweisen.
Meinung:
Vom Konzept her hat sich gegenüber den Vorgängern nicht viel geändert: Man wählt ein beliebiges World Rally Car der 2005er Saison und rast damit über zumeist unbefestigte Straßen in aller Welt. Unterstützung erhält man vom Beifahrer, der anhand seines "Gebetbuchs" Empfehlungen abgibt, in welchem Gang die nächsten Kurven zu durchfahren sind. Dank der FIA-Lizenz wurden wieder einmal alle aktuellen Fahrer ins Spiel eingebaut, und auch jeder der 16 realen Austragungsorte ist vertreten - leider mit jeweils nur drei Wertungsprüfungen, die sich immerhin wiedererkennbar an den realen Strecken orientieren. Um trotzdem für viel Abwechslung zu sorgen, stehen außerdem u.a. die schwächeren Fahrzeuge der frontgetriebenen Super1600-Klasse, die Rallyeautos einiger Privatteams, fiktive "Extreme"-Varianten der WRCs sowie diverse legendäre Klassiker aus den 80ern bereit.
Expect the unexpected Normalerweise brettert man bei Rallye-Spielen allein über die Pisten - die Gegner nimmt man lediglich in Gestalt der Bestzeit wahr, die sie hinterlassen haben. Die Entwickler haben sich jedoch darum bemüht, mit WRC: Rally Evolved ein wenig die Unberechenbarkeit des echten Sports einzufangen. Das beginnt damit, dass sich mitten in der Prüfung das Wetter ändern kann. Gelegentlich springt einem auch mal heimische Fauna vor den Kühler, oder man passiert die Wracks von Konkurrenten, die von der Strecke abgekommen sind, und überholt früher gestartete, aber langsamere Mitbewerber. Dadurch vermittelt das Spiel erfolgreich die Dynamik, die einen großen Reiz des realen Rallyesports ausmacht.
Von Angesicht zu Angesicht Wem auch diese sporadischen, ungeplanten Feindkontakte zu wenig sind, der sollte stattdessen die Rallyecross-Wettbewerbe ausprobieren: Jeder Rallye-Austragungsort bietet eine eigene Rundstrecke, auf der man direkt gegen drei Kontrahenten antritt. Die Gegner-KI kann sich dabei durchaus sehen lassen: Die Computerfahrer drängeln kräftig, wenn sich die Gelegenheit ergibt, machen aber auch einmal Fehler. So sind packende Duelle vorprogrammiert. Noch packender wird es natürlich, wenn man gegen Fahrer aus Fleisch und Blut antritt: Alle Modi (bis hin zur Karriere) lassen sich auch maximal zu viert am gleichen Bildschirm spielen; wer keine Freunde in der Nähe hat, kann sich online bis zu 15 Gegner suchen. Nur für Solisten ist allerdings die "Oldtimer-Herausforderung" gedacht: Wer die Gruppe-B-Monster freischalten will, muss mit jedem der alten Wagen je drei Streckenabschnitte innerhalb eines knappen Zeitlimits durcheilen - eine nette Abwechslung vom Wertungsprüfungs-Alltag, die entfernt an Gran Turismo-Lizenzprüfungen erinnert.
So soll es sein! Die Fahrphysik ist durchaus gelungen. Zwar wird nicht der beinharte Realismus eines Titels wie Richard Burns Rally erreicht, aber WRC: Rally Evolved kann mit seinem stimmigen Kompromiss aus Zugänglichkeit und Anspruch durchaus mit Colin McRae Rally, der ewigen Konkurrenz-Serie, gleichziehen. Jeder Wechsel des Untergrunds wirkt sich überzeugend auf das Fahrverhalten aus, und die Rallyeautos verhalten sich exakt so, wie man es von einem Gefährt erwartet, das mit rund 200 Sachen über enge Schotterstraßen geprügelt wird. Spieler, die keine Hobby-Mechaniker sind, werden sich über die vorgefertigten (und recht brauchbaren) Fahrzeug-Setups freuen. Echte Profis können sich aber auch selbst ans Verstellen der Federwege und Bremsbalance machen. Letztere werden vermutlich auch die zehnstufig justierbaren Fahrhilfen (Lenk- und Bremsassistent sowie Traktionskontrolle) gänzlich deaktivieren.
Die Delle ist zu klein Die Grafik sieht auf den ersten Blick sehr gut aus, bei näherem Hinsehen fallen jedoch einige Defizite ins Auge: Die Autos sind zwar korrekt proportioniert, hätten aber ein paar Polygone mehr vertragen können. Auch die Texturen wirken etwas zu grell und plastikhaft. Immerhin können die meisten Streckenabschnitte mit üppiger Vegetation begeistern, und auch bei den Partikeleffekten (Staubwolken, Spritzwasser) gibt es nichts zu bemängeln. In letzter Sekunde von der Strecke springende Zuschauer lassen ebenfalls authentisches Rallye-Flair aufkommen, auch wenn die Figuren äußerst klobig gestaltet und animiert wurden. Die Schmutzschicht, die sich auf den Wagen ablagert, und das visuelle Schadensmodell können leider ebenfalls nicht so recht überzeugen. Vor allem letzteres ist nicht ausgeprägt genug, auch nach einem schweren Überschlag hängt oft nur die Frontschürze etwas schief. Bei den Rallyecross-Events kommt es wegen der Konkurrenzfahrzeuge leider regelmäßig zu einem Einbruch der Bildwiederholrate.
Menschlichkeit und Pietät Die Motorensounds der einzelnen Wagen unterscheiden sich zwar voneinander und sind tatsächlich auch wiedererkennbar, wirken aber dennoch ein wenig dünn und synthetisch. Ein nettes Element ist aber, dass sich auch Schäden am Fahrzeug akustisch bemerkbar machen: Angeknackste Aufhängungen quietschen vernehmlich, und mit einem festsitzenden Kolben klingt der Motor gleich ganz anders. Der Beifahrer ist gut verständlich und gibt vernünftige Anweisungen - realistischerweise "menschelt" er zwischendurch gelegentlich und muss z.B. nach einem Crash erst einmal wieder die richtige Zeile im Roadbook suchen. Apropos Beifahrer: Ein sehr feiner Zug der Entwickler ist die am Ende des Handbuchs abgedruckte Widmung, mit der der am 18. September 2005 bei der Wales-Rallye tödlich verunglückte Michael "Beef" Park (Beifahrer von Markko Märtin) geehrt wird.
Fazit:
Rallye-Spiele für die PS2 gibt es wirklich reichlich. Da fällt es den einzelnen Titeln mitunter schon einmal schwer, sich von den Mitbewerbern abzuheben. Die WRC-Spiele haben sich dafür in der Vergangenheit vielleicht etwas zu sehr auf ihre Exklusivlizenz verlassen. Doch das hat spätestens mit WRC: Rally Evolved ein Ende. Das Spiel fängt nicht nur dank der aktuellen Saisondaten und der TV-Bilder in den Menüs, sondern vor allem wegen des dynamischen Verlaufs der Wertungsprüfungen die Essenz des Sports besser ein als viele Konkurrenten. Außerdem kann das Spiel auch auf der Piste voll überzeugen. Rallye-Fans, denen perfekte Optik weniger wichtig ist als das Fahrgefühl, können also bedenkenlos zugreifen und so zumindest auf der eigenen MemoryCard dafür sorgen, dass nicht der 2005er Dauersieger Sebastién Loeb den Meistertitel erringt.
| |
Autor der Besprechung:
Manuel Tants
|