Assetto Corsa Competizione

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Story:

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Während der letzten Wochen haben Rennsimulationen einen noch nie dagewesenen Hype erfahren. Aufgrund der Tatsache, dass jede große Rennserie ihre Rennen virtuell austragen musste und diese Rennen teilweise sogar live im TV übertragen wurden, wollten sich viele selbst wie Rennfahrer fühlen und legten sich Lenkräder und diverse Rennsimulationen zu. Auf dem PC war und ist die Auswahl dabei recht groß, Konsoleros blieb hingegen kaum eine Wahl. Hier sind echte Rennsimulationen nämlich leider Mangelware. Der italienische Publisher Kunos Simulazioni möchte daran etwas ändern und brachte nun Assetto Corsa Competizione auch auf PS4 und Xbox One heraus.

Meinung:

Wer sich für Rennsimulationen interessiert, wird wahrscheinlich wissen, dass Assetto Corsa Competizione nicht die erste Rennsimulation von Kunos Simulazioni ist. 2014 erschien bereits der Vorgänger auf dem PC, zwei Jahre später folgte dann der Sprung auf die Konsolen, womit das Spiel damals eine der ersten ernst zu nehmenden Rennsimulationen überhaupt auf den Konsolen war. Damals konnte das Spiel nicht nur mit seinem realistischen Fahrgefühl, sondern auch mit seiner Vielfalt überzeugen. Zahlreiche Fahrzeuge aus verschiedenen Klassen sorgten für reichlich Abwechslung.
Im nun erschienenen Assetto Corsa Competizione zeigt sich hingegen ein anderes Bild. Hier erwarten einen gerade einmal 24 unterschiedliche Fahrzeuge aus einer einzigen Klasse. Für viele dürfte dies sehr enttäuschend klingen, allerdings hat diese übersichtliche Anzahl an Boliden seinen Grund. Bei dem Spiel handelt es sich nämlich um das offizielle Spiel zur Blancpain GT Series, also der wohl wichtigsten GT-Meisterschaft weltweit. Folgerichtig sind auch nur die GT-Fahrzeuge im Spiel enthalten, die dort mitfahren. Damit dennoch ein gewisses Maß an Abwechslung geboten wird, sind zumindest nicht nur die Fahrzeuge und Teams der letzten Saison, sondern auch aus der Saison 2018 enthalten. So gibt es den AMR Vantage V3 nicht nur in der aktuellen V8, sondern eben auch in der alten V12-Version. Gleiches gilt noch für diverse andere Fahrzeuge, wie etwa den Audi R8 LMS, der sowohl in der alten als auch in der aktuellen Evo-Version zur Auswahl steht. Zudem kann man auf diese Weise auch in Fahrzeuge steigen, die 2019 gar nicht mehr am Start waren, wie etwa den Reiter Engineering R-EX GT3 oder den Emil Frey Jaguar G3. Insgesamt erwarten einen auf diese Weise 24 verschiedene Fahrzeuge, die auf rund 120 Teams aufgeteilt und mit 200 verschiedenen Fahrern bestückt sind.
Was für die Fahrzeuge gilt, gilt auch in gleichem Maße für die Strecken. Auch hier wurde sich selbstverständlich an die Originalvorlage gehalten und nur Strecken in das Spiel gebracht, auf denen die Rennserie tatsächlich gefahren ist. Neben Barcelona, Monza, Nürburgring und Silverstone sind dies noch sieben weitere klassische Strecken. Irgendwelche Fantasie-Kurse, wie sie ja gerne Mal in Rennspielen auftauchen, gibt es hier hingegen nicht.

Aufs wesentliche Konzentriert
Für viele mag der eher überschaubare Umfang trotz der offiziellen Blancpain GT Series-Lizenz dennoch ein Kritikpunkt sein. Ich für meinen Teil sehe dies anders, denn anstatt hunderte Fahrzeuge nach zu modellieren, die dann ohnehin kaum jemand fährt, konnten sich die Entwickler voll und ganz auf die paar Modelle und Strecken konzentrieren und diese so originalgetreu wie nur möglich ins Spiel bringen. Genau das haben sie auch getan. Die Fahrzeuge verfügen zwar vielleicht nicht über ganz so viele Polygone wie in einem Forza Motorsport 7, sehen aber dennoch durchgehend sehr gut aus und haben selbst den kleinsten Sponsorenaufkleber am richtigen Fleck. Gleiches gilt auch für die Strecken. Auch diese wurden bis auf den letzten Curb und die letzte Bodenwelle den original Vorbildern nachgebaut. Den wirklich wichtigen Vorteil dieses eher kleinen Umfangs bemerkt man aber erst, wenn man sich tatsächlich im Cockpit befindet. Denn was das Fahrgefühl angeht, fährt Assetto Corsa Competizione mit den ganz Großen des Rennsimulations-Genres mit und lässt ein Forza oder Gran Turismo wie spaßige Arcade Racer aussehen.


Das Beste, was auf Konsolen angeboten wird
Jedes Lenkmanöver muss gut überlegt, jedes Bremsmanöver genau getimt sein. Beim Herausbeschleunigen aus den Kurven muss sachte aufs Gaspedal gedrückt werden, ansonsten bekommt man den Kurs aus der anderen Richtung zu sehen. Noch brenzliger wird die Situation im Nassen. Dann braucht die ohnehin schon anspruchsvolle Fahrphysik noch mehr Feingefühl. Ebenso verhält es sich bei kalten Reifen, die wenig Grip liefern und einen jede falsche Bewegung oder einen zu energischen Gasfuß sofort bereuen lassen, zumal es keinerlei Möglichkeiten gibt, Fehler zu korrigieren. Eine Rückspulfunktion gibt es hier nämlich nicht.
Doch nicht nur Gas, Bremsen und Reifengrip wurden exzellent simuliert und müssen mit feinem Händchen kontrolliert werden, auch das Gewicht der Autos ist richtig spürbar und spielt ebenfalls eine große Rolle. In schnellen Kurven trägt es einen zum Beispiel regelrecht nach Außen und beim Beschleunigen merkt man richtig, wie die Kilos bewegt werden müssen. All das ist wirklich fantastisch und so in noch keinem Konsolenspiel zuvor zu spüren gewesen.
Passend zu diesem sehr realistischen Fahrgefühl gibt es auch zahlreiche Setup-Möglichkeiten, die das Fahrverhalten der Boliden verändern. Neben vorgefertigten Setups (aggressiv oder für Regen) kann man natürlich auch alles nur erdenkliche selbst einstellen. Sei es der Luftdruck jedes einzelnen Reifens, wie stark das ABS eingreifen soll, die Boxenstrategie plus Tankbefüllung, die Einstellungen der Bremsen und Federungen – all das und noch vieles mehr kann man haarklein nach seinen Vorlieben einstellen. Um wirklich verstehen zu können, was die einzelnen Änderungen alles beeinflussen, sollte man aber bereits ein wenig Vorwissen mitbringen. Es gibt zwar auf der rechten Seite des Bildschirms immer einen kleinen Erläuterungstext zum jeweiligen Teil, aber welche Auswirkungen Änderungen daran auf der Strecke haben, wird dort nicht explizit genannt.

Herausfordernd = Frustrierend?
Ist dieser hohe Anspruch, den das Spiel vom Fahrer abverlangt, frustrierend? Auf keinen Fall, denn wenn man es hier irgendwann einmal geschafft hat, einen Erfolg oder auch nur einen Podestplatz einzufahren, fühlt man sich tatsächlich, als ob man wirklich etwas geleistet hat und versteht ungefähr, wie sich echte Rennfahrer fühlen dürften.
Um all dies wirklich in vollen Zügen genießen zu können, empfehle ich allerdings dringend, die Nutzung eines Lenkrades. Zwar kann man auch mit dem Controller steuern, den kompletten Spielspaß verspürt man aber eben nur mit einem Lenkrad.

Nicht sofort online starten
Wie bei jedem guten Rennspiel kann man auch Assetto Corsa Competizione online spielen - in diesem Fall sogar gegen 20 andere Kontrahenten. Aufgrund der anspruchsvollen Fahrphysik würde ich dies aber nicht von Anfang an empfehlen. Stattdessen sollte man sich an das Spiel zunächst einmal gewöhnen. Am besten geschieht dies über das Training, in dem man sich zunächst mit dem Auto und der jeweiligen Strecke vertraut machen kann. Kennt man den Kurs und die Eigenschaften des Autos ein wenig, empfiehlt sich der Sprung zum Hot Lap-Modus, in dem man versucht, eine möglichst schnelle Runde auf den Asphalt zu legen. Gelingt auch dies, kann man sich als nächstes an die verschiedenen Einzelrenn-Modi wagen. Hier kann man vom schnellen Rennen über das Sprint-Wochenende so ziemlich alles auswählen, was man sich wünscht. Hat man hier ein paar Rennen gut überstanden kann man sich schlussendlich an das Highlight der Einzelspieler-Modi wagen – die Karriere. Hier gilt es, sich nach drei kurzen Testrennen, die für die Schwierigkeitseinstufung zuständig sind, in einer kurzen, mittleren oder langen Meisterschaft vom Neuling bis zum Meister hoch zu arbeiten. Leider wirkt die Karriere dabei sehr lieblos. Im Prinzip ist es nämlich nur eine Aneinanderreihung der Rennen. Aus diesem Grund kann man stattdessen auch getrost die normale Meisterschaft ausfahren, wobei man hier die Wahl zwischen der 2018er und 2019er Saison hat. Durch all diese Einzelspieler-Rennen lernt man nicht nur die Strecken und Autos zu beherrschen, sondern steigert auch sechs verschiedene Faktoren (Streckenkenntnis, Fahrzeugkontrolle, Konsistenz, Tempo, Sicherheit und Rennerfahrung), die für den Online-Multiplayer wichtig sind. Nicht nur, dass sie als Referenz für das eigene Können dienen und somit zur Auswahl der Gegner fungieren (schließlich sollen Neulinge nicht gegen Profis fahren), sie sind auch ausschlaggebend dafür, ob man an bestimmten Rennen überhaupt teilnehmen darf. Wenn einem der Weg durch ein zu niedriges Rating nicht versperrt ist, kann man hier dann an verschiedensten Rennmodi teilnehmen, wie etwa an speziellen Online-Events, in denen die Spieler mit dem identischen Auto und Setup um die schnellste Runde fahren müssen. Ebenso sind aber auch normale Rennen oder - und das sind die absoluten Highlights - Langstreckenrennen über 3, 6 oder gar 24 Stunden zu absolvieren, wobei die Zeit entweder beschleunigt wird oder in Echtzeit abläuft – inklusive Tag-Nacht-Wechsel, der nebenbei gesagt hervorragend aussieht. Genauso hervorragend sind übrigens auch die Motorensounds. Wer schon mal ein GT3-Rennen im Fernsehen verfolgt hat, wird die charakteristischen Sounds sofort wiedererkennen.

Schönheitsfehler
Assetto Corsa Competizione könnte für wahre Simulations-Fans wegen des einmalig realistischen Fahrgefühls und der beachtlichen Auswahl an Rennmodi also im Prinzip ein wahr gewordener Traum sein, wenn da doch nur nicht die technischen Mängel wären. Schon allein, dass das Spiel mit lediglich 30 fps abläuft, ist schon ärgerlich genug. Noch schlimmer ist allerdings, dass diese noch nicht einmal konstant laufen. Gerade wenn mehrere Wagen auf dem Bild zu sehen sind, ruckelt das Spiel merklich – wenngleich auch immer nur sehr kurz. Dennoch dürfte es ambitionierte Fahrer durchaus stören. Ebenfalls nicht schön sind gelegentliche Abstürze bei Onlinerennen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Kunos Simulazioni diese Probleme in den Griff bekommen und mit einem Patch schnellstmöglich beheben. Andernfalls wäre es wirklich schade.

Fazit:
Was das Fahrgefühl anbelangt, setzt Assetto Corsa Competizione auf den Konsolen neue Maßstäbe. Noch nie haben sich Autos besser und realistischer angefühlt als in diesem Spiel. Dennoch werden selbst die härtesten Simulations-Fans bislang noch nicht 100%ig mit dem Spiel zufrieden sein. Das liegt nicht etwa am überschaubaren Fuhrpark, sondern vielmehr an den technischen Mängeln, die den Spielspaß bisher noch trüben. Doch spätestens, wenn Kunos Simulazioni diese behoben hat (was hoffentlich schnell geschieht), müssen Simulationsfanatiker nicht mehr eifersüchtig zu den PClern hinüberschauen, sondern können selbst ins Lenkrad greifen.