Ghost of Tsushima: Director's Cut

Ghost of Tsushima: Director's Cut

Ghost of Tsushima: Director's Cut

Story:

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Etwas mehr als ein Jahr ist nun vergangen, seit Ghost of Tsushima ein absolutes Highlight der PS4 war. In der Zwischenzeit haben Suckerpunch vor allem gezeigt, dass man auch ohne Mikrotransaktionen ein erfolgreiches Spiel entwickeln und weiter ausbauen kann, als sie mit dem kostenlosen Multiplayermodus Legends quasi nochmal ein komplett eigenständiges Spiel hinzugefügt haben. Der neue Director's Cut bringt nun nicht nur diesen SplashHit auf die PS5, sondern liefert auch eine neue Insel, auf der die Geschichte des Geistes weitergeht.



Meinung:


Die Hunnen greifen an! Bei ihrem Feldzug in Japan soll die Insel Tsushima ihre erste Basis sein, bevor sie mit ihren Schiffen über den Rest des Reiches herfallen wollen. Die Samurai-Clans der Insel versuchen ihnen in einem letzten Aufbäumen Einhalt zu gebieten, werden jedoch komplett ausgemerzt, sodass die Hunnen alle strategischen Punkte einnehmen können. Einzig Jin Sakai, Neffe des obersten Herrschers von Tsushima Lord Shimura, kann sowohl dem Tod als auch der Gefangennahme durch die Hunnen entkommen, da er von der Diebin Yuna vom Schlachtfeld gezogen und anschließend wieder aufgepäppelt wird. Sein Ziel ist klar: Lord Shimura aus der Gewalt der Hunnen befreien und anschließend gemeinsam die Insel zurück erobern. Doch wie hoch ist der Preis der Freiheit?

Assassin's Creed: Edo
Der anfängliche Vergleich zu Assassin's Creed kam nicht aus dem Nichts. Wer vor allem Origins oder Odyssey gespielt hat, wird schnell Gemeinsamkeiten entdecken. Die Insel Tsushima ist in drei große Abschnitte, die auch für die drei Kapitel des Spiels stehen, aufgeteilt. Auf der Karte gibt es allerhand zu erledigen und schnell sammeln sich etliche Fragezeichen an, die erkundet werden wollen. Neben den üblichen Sammelobjekten, wie Waffenskins, singenden Grillen oder Armeebannern gibt es aber auch etwas eigentümlichere Aufgaben. Es wollen Haiku geschrieben, an Bambusständen trainiert, Tempel erklommen und sowohl Fuchsschreine als auch Denkmäler geehrt werden. Alles bringt in kleinen Schritten Boni mit sich. Tempel geben ausrüstbare Talismane, Bambusstände erhöhen Entschlossenheit und für jedes Haiku gibt es ein fesches Stirnband. Wer sich in einer heißen Quelle ausruht, erhöht seine Maximalgesundheit und Duelle bringen uns neue Angriffe bei. Dann gibt es noch jede Menge Ressourcen zum Aufwerten von Waffen und Rüstungen, sowie etliche Farbschemata für die unterschiedlichen Outfits, die alle ihre eigenen Vorzüge haben.

Zwei Seiten der Medaille
Vordergründig will aber die Insel von der Knechtschaft der Hunnen befreit werden. Neben den Haupt- und etlichen Nebenmissionen gibt es dafür auch einige Camps, die auseinander genommen werden wollen. Jin ist zwar ein Samurai, aber die Umstände zwingen ihn dazu, auch weniger ehrenvolle Maßnahmen zu ergreifen. Schnell bekommt er von seinen Anhängern den Namen "Geist" verliehen, der sowohl für seine Wiederauferstehung vom Schlachtfeld als auch für sein lautloses Töten steht. Oftmals steht es Jin frei, welchen Weg er im Kampf einschlagen möchte. Ein echter Samurai spaziert durch das Vordertor und fordert seine Gegner zu einem Stand Off heraus. Sind jedoch Geiseln im Spiel, empfiehlt es sich in der Regel, ein wenig bedachter vorzugehen und durch das hohe Gras zu schleichen, um die Hunnen einen nach dem anderen auszuschalten. Kommt es bei einer Geiselsituation zum offenen Kampf, zögern die Hunnen nicht, ihre Geiseln zu töten. Für beide Vorgehensweisen verfügt Jin über ein ordentliches Repertoire an Fähigkeiten, die er mit wachsendem Ruf freischalten kann.

Für die Ehre!
Der Samurai verfügt dafür über fünf unterschiedliche Kampfhaltungen, die er nach und nach freischalten und aufwerten kann. Jede Haltung ist besonders effektiv gegen bestimmte Gegnerarten und man kann problemlos im Kampf zwischen ihnen wechseln. Im offenen Kampf kommt dann auch das ausgeklügelte System aus Ausweichen und Parieren zum Einsatz, mit dem sich einige Combos erstellen lassen. Es will gut darauf geachtet werden, mit welchen Attacken die Feinde angreifen, denn nicht jeder Angriff kann pariert werden. Außerdem sollte man auch immer darauf achten, ob Bogenschützen ihre Kameraden warnen, damit man sich selbst rechtzeitig wegducken kann. Die Hauptressource, die Jin für besondere Manöver besitzt, ist Entschlossenheit. Diese baut sich durch das geschickte Parieren und Ausweichen auf und kann dafür eingesetzt werden, um im Kampf geheilt zu werden oder starke Spezialfähigkeiten einzusetzen. Das Kampfsystem macht mit seinen Feinheiten so viel Spaß, dass ich jede Möglichkeit zum ehrenvollen Stand Off genutzt habe.

Der Geist und die Dunkelheit
Der Geist setzt auf dunklere Taktiken. Ihm zur Hilfe stehen verschiedene Gadgets, mit denen sich die Feinde ablenken, in Brand stecken oder vergiften lassen. Auch eine Kettenermordung, bei der bis zu drei beieinander stehende Feinde in einem Rutsch erledigt werden können, ist möglich. Jin schleicht durch hohes Gras, wirft Rauchbomben oder Feuerwerkskörper und stürzt sich von Dächern auf seine ahnungslosen Opfer. Im Vorfeld wurde viel moniert, dass ein Samurai niemals zu diesen niederen Mitteln greifen würde, aber genau darum geht es in der Geschichte.

Dekonstruktion der Samurai
Es gibt einen ganzen Haufen Nebenmissionen, die erzähltechnisch allesamt ganz großes Kino sind. Die aus jeweils neun Teilen bestehenden Geschichten von Jins Verbündeten stellen dabei die Höhepunkte dar, doch auch die kürzeren Missionen überraschen immer wieder mit tiefgehenden Einblicken in die menschliche Seele und die Gräuel des Krieges. Diese Geschichten stehen dem Genreprimus The Witcher 3 in nichts nach. Die Hauptquest orientiert sich thematisch an den gängigen Samurai-Themen über Loyalität, Ehre, Prinzipien und was es bedeutet, diese für das größere Wohl aufgeben zu müssen. Außerdem ist es schön, mit Khotun Khan einen Bösewicht zu haben, der ein wenig mehr als nur die Bosheit in Person ist. Hier wird das Rad zwar nicht neu erfunden, aber man hat das Gefühl, einen sehr guten Samurai-Film zu sehen.

Das Schloss im Spinnwebwald
Cineastisch ist auch das richtige Wort, um das gesamte Spiel zu beschreiben. Die Grafik ist wirklich atemberaubend und jeder Screenshot ist ein kleines Gemälde. Wenn wir mit unserem Pferd über die von windigen Wogen durchzogenen Felder oder durch die lichtdurchfluteten Wälder reiten, ist das Staunen groß. Im Norden treffen wir auf zugefrorene Seen und verschneite Berge und ein Duell vor einem malerischen Wasserfall oder inmitten von wogenden Blumen ist ein wahrer Augenschmaus. Das trifft auch auf die Regie während der gescripteten Szenen zu. Nicht umsonst haben Sucker Punch als Inspiration die Filme von Kurosawa angegeben. Dafür wurde auch extra ein Modus implementiert, der das Bild schwarz/weiß hält, Filmkörnung einfügt und Windeffekte verstärkt. Der Modus ist zwar eine ganz nette Spielerei, aber dennoch würde ich die prachtvolle Optik in Farbe dafür nicht eintauschen wollen. Außerdem wurde größtenteils auf ein HUD verzichtet. Ist man zu einem Wegpunkt unterwegs, kann man mittels Touchpad den Wind herbeirufen, der in die nötige Richtung weht. Vögel und Füchse führen einen zu besonderen Orten und Rauchschwaden am Himmel weisen zu Questgebern oder heißen Quellen. Im Kampf gibt es dann eine Anzeige für Lebensenergie, Entschlossenheit und Munition. Wer möchte, kann auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad aber auch diese Anzeigen ausschalten. Wenn man unbedingt etwas an der Grafik kritisieren möchte (ich brauche in der Endwertung mindestens einen Negativpunkt), dann kann man sagen, dass der Windeffekt mit seinen Streifen noch der schwächste Aspekt der Präsentation ist.

Nani?
Es wurde insgesamt sehr viel Wert auf Atmosphäre und Flair gelegt. Wer sich für Japan im Allgemeinen und die Samurai im Besonderen interessiert, kann hier eine Menge an Unterhaltung herausziehen. Dafür gibt es eine japanische Sprachfassung mit Untertiteln, wobei man allerdings sagen muss, dass die Untertitel hin und wieder fast sinnentstellt übersetzt wurden. Während der japanische Jin zu tiefst demütig und loyal ist, wirkt seine englische Übersetzung an manchen Stellen forsch und aufmüpfig. Auch bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir in der übersetzten Variante lediglich Haiku schreiben, weil das die einzig geläufige Art japanischer Poesie im Westen ist, denn in der japanischen Sprachfassung werden Waka vorgetragen. Das ist allerdings Meckern auf sehr hohem Niveau und macht spielerisch keinen Unterschied.

Ab nach Iki
Die Erweiterung verschlägt uns auf die Insel Iki, nachdem wir erfahren haben, dass eine Untergruppe der Hunnen dort eingefallen ist und den Sturm auf Tsushima von diesem neuen Standort plant. Damit es gar nicht erst so weit kommt, reist Jin auf die Insel, um die Hunnen auszuschalten. Das ist jedoch mit einigen Problemen verbunden. Zunächst einmal ist Iki eng mit Jins Vergangenheit verbunden, da sein Vater mit dem Sakai-Clan dort eine Revolution blutig zerschlagen hat. Dementsprechend sind die Bewohner von Iki keine allzu großen Fans der Sakai, weswegen Jin unter falscher Flagge auf der Insel aufschlägt und sich mit den ehemaligen Feinden anfreunden muss. Zu allem Überfluss verabreicht die Anführerin der Hunnen Jin auch noch ein fieses Gift, das ihm während seines Inselaufenthalts so einigen Ärger macht.

Zwar ist die Insel ein gutes Stück kleiner als Tshushima, aber dennoch bekommen wir einige neue Aufgaben geboten. Tieren soll mittels Bewegungssteuerung ein wenig Flöte vorgespielt und Herausforderungen im Bogentraining absolviert werden, während es neue Bambusstände, Haiku und heiße Quellen zu entdecken gibt. Auch gibt es wieder ein paar spannende Nebenmissionen, die uns unter anderem den jungen Jin in der Vergangenheit steuern und andere Geheimnisse der Insel aufdecken lassen. Am eigentlichen Gameplay hat sich allerdings nicht viel geändert. Unser Pferd bekommt einen Charge, mit dem wir effektiv durch die Hunnen preschen können. Die Feinde selbst haben jedoch ordentlich trainiert und sind aggressiver als auf Tsushima, was sich vor allem darin äußert, dass sie öfter ihre Waffen wechseln. Auch gibt es einen neuen Feind, den Shamanen, der seine Kollegen mit wilden Gesänden und Tänzen bufft und daher am besten nach oben auf der Kill List rutscht.

Gewohnt hohe Qualität
Grafisch war Ghost of Tsushima bereits auf der PS4 eine klasse für sich und auch der Director's Cut kann überzeugen. Vor allem die neue Insel Iki wartet mit atemberaubenden Gegenden auf, die nicht nur wunderschön, sondern auch faszinierend abwechslungsreich sind. Die Massen an herumfliegenden Blättern sind hin und wieder aber dann doch ein wenig zu viel des Guten. Auf der PS5 bekommen wir auch endlich die korrekten Lippenbewegungen für die japanische Tonfassung. Wie man ein Spiel, das so stark in japanischer Kultur und Mythologie verankert ist, mit englischer Sprachausgabe spielen kann, werde ich wohl nie verstehen. Und auch wenn es inzwischen fast ein wenig redundant wirkt, muss man dennoch erwähnen, dass auch Ghost of Tsushima unglaublich von der SSD der PS5 profitiert und man beim Laden innerhalb eines Wimpernschlags mitten in der Spielwelt steht.



Fazit:

Ich bin von Ghost of Tsushima absolut begeistert. Technisch ist es über jeden Zweifel erhaben und punktet grafisch, beim Sound und bei der Steuerung. Eine filmreife Inszenierung bringt aber nichts, wenn nicht auch das Gameplay stimmt, doch auch hier kann das Spiel vollends überzeugen. Die zwei unterschiedlichen Spielstile, die in unterschiedlichen Situationen gebraucht werden, machen ungemein viel Spaß, das Kampfsystem ist tief und vor allem Duelle sind immer wieder spannend. Dazu kommen noch tiefgreifende Geschichten über Loyalität, Verrat und die Tücken des Krieges sowie eine Hauptstory, die eines guten Samurai-Films würdig ist. Für mich ist Ghost of Tsushima bis jetzt das Spiel des Jahres!

Wer Ghost of Tsushima noch nicht erlebt hat, kann ohne Frage direkt zum Director's Cut greifen. Das Hauptspiel ist immer noch ein absolutes Highlight und die Erweiterung ist eine gelungene neue Geschichte. Wer lange Zeit nicht mehr auf Tsushima war, sollte ich aber darüber im Klaren sein, dass Iki einen etwas höheren Schwierigkeitsgrad bietet und man vermutlich ein paar Mal sterben wird, bevor man wieder in die zahlreichen Gameplay-Elemente zurückgefunden hat. Dann steht aber auch einem Veteranen nichts mehr im Weg und der Preis ist absolut angemessen.