Botanicula
Entwickler:
Amanita Design
Publisher:
Daedalic Entertainment
Genre:
Adventure
USK Freigabe:
Freigegeben ab 6 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
20 €
Systeme:
Mac, PC
Inhalt:
Erinnert ihr euch noch an Machinarium? Dieses Ohne-Worte-Adventure von Amanita Design konnte 2009 nicht nur uns begeistern, und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit unter den Indie-Titeln. Nun hat Daedalic Entertainment den neuen PC-/Mac-Titel der tschechischen Entwickler unter die Fittiche genommen: Botanicula. Auch dieses phantasievolle Abenteuer kommt wieder völlig ohne Text aus, weswegen man natürlich auch die internationale Download-Variante wählen könnte. Die Gründe für die deutsche Handelsversion? Neben der Box mit dem schicken Cover gibt es noch ein Poster und den Soundtrack dazu. Dafür wurde auf DRM wieder komplett verzichtet. Was das Spiel sonst noch auszeichnet, erfahrt ihr nun.
Meinung:
Der Kreislauf des Lebens wird unterbrochen: Ein Parasit befällt einen
Baum, Lebensraum für zahlreiche Krabbeltiere, -pflanzen und allem
dazwischen. Das Biest verschlingt einen Samen nach dem anderen, um sich
dann zu vermehren und dem Baum auch noch den restlichen Lebenssaft zu
rauben. Doch wie es der Zufall so will kann ein Samenkorn diesem
Schicksal entgehen: Es landet auf dem Kopf eines kleinen Baumwesens, das
in seiner darauf folgenden Ohnmacht eine Vision empfängt: Er muss den
Samen vor den Parasiten retten, und ihn schließlich in der Erde
vergraben, damit ein neuer Baum wachsen kann. Zusammen mit seinen vier
Freunden aus anderen Baumwesenfamilien macht sich der Auserwählte auf
den Weg nach unten.
Natur pur Man fühlt sich sofort in
die sommerliche Natur versetzt, wenn man die Kontrolle über die fünf
winzigen Freunde auf der zweidimensional dargestellten Baumwelt
übernimmt. Im Hintergrund rauscht, zirpt und surrt es, und wie der Wind
lässt der Mauszeiger Zweige und Blätter schaukeln, wenn er über sie
hinweg fährt. Wo der Zeiger zur Hand wird, passiert beim Klicken auch
etwas. Vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, vielleicht auch erst in
Kombination mit anderen Dingen. Nicht alles muss man tun, aber alleine
schon die Suche nach dem richtigen Vorankommen macht Spaß. Immer wieder ertappt man sich dabei, ein bestimmtes Insekt nochmals sehen bzw. hören zu wollen, oder ist einfach nur neugierig darauf, was sich wohl unter dem nächsten Blatt verbirgt. Auf den Ästen
des Baumes verzweigen sich die Wege, die man mit dem Quintett erkunden
kann, um weiter nach unten zu gelangen. Denn immer wieder stellt sich
irgendwas oder irgendwer in den Weg, oder verspricht Hilfe, wenn man
zuerst hilft. Dann muss man meistens eine bestimmte Anzahl verschiedener
Dinge finden, z.B. die verloren gegangenen Kastanienkinder. Stilecht findet man schließlich eine Übersichtskarte auf einem Baumblatt, auch eher selten für das Genre.
Artenvielfalt In
bestimmten Situationen werden die verschiedenen Fähigkeiten der
Freunde gefordert. Man kann dann auf die Baumwesen klicken, worauf sie
ihren Versuch starten. Da muss man eigentlich hoffen, dass man nicht
sofort die richtige Lösung findet, ansonsten bekommt man einige witzige
Szenen nicht zu Gesicht. Immer wieder trifft man auch auf Wesen, die
einem die Hintergrundgeschichte ausführlicher erzählen – natürlich alles
mit Bildern und Geräuschen. Macht man Dinge, die man eigentlich nicht
für den Fortschritt im Spiel erledigen muss, bekommt man Sammelkarten
ins Inventar, welche die unterschiedlichsten Baumbewohner animiert
darstellen. Solche Zugaben gibt es nur selten im Adventure-Genre.
Doch nicht nur das unterscheidet Botanicula von
seinen Genrekollegen. Denn was zunächst wie ein weiteres
Trial-and-Error-Spiel aussieht, bei dem man einfach nur oft genug auf
etwas herumklicken muss, bietet nach einer Weile viel mehr Spielmechanik
als jedes andere Adventure. Denn immer öfter muss man direkt oder
indirekt per Maus etwas bewegen, immer wieder auf neue, originelle Art
und Weise. Ja, eine Bedienung per Touchscreen oder Wii-Remote/Move wäre
durchaus vorstellbar.
Entdeckungsreise Doch wie im
Genre üblich gibt es auch hier Minispiele und -rätsel, die jedoch alle
perfekt in das Spielgeschehen eingebunden sind, und nicht auf eine
andere Darstellung wechseln. Eine Partie Volleyball mit einer Kastanie
oder die Flucht durch ein Labyrinth sind da nur zwei von vielen.
Seltener wie in Standard-Adventures gibt es Gegenstände zu finden, bei
denen aber auch leicht ersichtlich ist, wenn der Zeitpunkt gekommen ist,
sie einzusetzen. Einen Frustfaktor gibt es bei Botanicula also
überhaupt nicht, so werden auch Kinder großen Spaß an der Krabbelei
finden, auch wenn viele Anspielungen nur von Erwachsenen verstanden
werden können. Ohnehin gibt es eine Menge verrückte Ideen, die auf einem
Baum eigentlich nichts verloren haben, zur Skurrilität des Spiels aber
einen bedeutenden Beitrag leisten.
Multimediale Einheit Dazu
tragen sowohl Grafik als auch Sound ihren Teil bei. Obwohl das Spiel
komplett in Flash programmiert wurde, ist alles detailreich gestaltet,
und die Umgebung wirkt sehr lebendig. In manchen Räumen sieht man das
Geschehen von etwas weiter weg, und man bekommt richtig schöne, teils
animierte Hintergrundszenen zu sehen, die den Baum-Lebensraum noch
größer und geheimnisvoller erscheinen lassen. Die Soundeffekte sind mal
schräg, dann wieder atmosphärisch. Viele Hintergrundgeräusche gehören
dabei eigentlich direkt zum Soundtrack, welcher von der tschechischen
Alternativband DVA stammt. Diese Musikuntermalung ist ebenfalls skurril bis atmosphärisch, und passt zum Stil des Spieles einfach perfekt.
Fazit:
Nicht nur vom Umfang her könnten sich andere Adventure-Entwickler einiges von Amanita Design abschauen. Botanicula strotzt nur so von Ideen, Einfallsreichtum, Skurillität und Gameplay-Experimenten. Dabei werden die Grenzen des Adventure-Genres neu ausgelotet, es werden wohl bekannte und längst ausgetrampelte Pfade verlassen, was in Zukunft hoffentlich immer mehr Entwickler tun.Die Grafik hat einfach einen wunderbar einzigartigen Stil und zaubert die Umgebung äußerst lebendig auf den Bildschirm. Der Soundtrack tut den Rest, und auch die, trotz fehlender Worte, spannend erzählte Geschichte von den tapferen Pflanzenwesen, die ihren Lebensraum gegen den gefährlichen Parasiten verteidigen, um schließlich das letzte Samenkorn ihres Baumes dem Erdreich übergeben zu können, ist mehr als nur erwähnenswert.
Amanita Design hat hier ganze Arbeit geleistet und nicht nur ein tolles Spiel für Liebhaber von ungewöhnlichen Spielen, Indiegames und Adventures geschaffen, sondern auch echte Computerspielkunst. Vielleicht gibt es ja in drei Jahren wieder ein neues Spiel von den Tschechen, das vielleicht dann nicht mehr auf Flash basiert, und dem Einfallsreichtum der Entwickler somit keine Grenzen mehr setzt.
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Autor der Besprechung:
Michael Hambsch
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