Der Landwirtschafts-Simulator ist der mit Abstand bekannteste und erfolgreichste seiner Zunft, doch Simulator-Spiele im Allgemeinen boomen seit einiger Zeit. Ein Blick auf die monatliche Releaseliste zeigt, dass kein Monat vergeht, ohne dass zumindest ein oder zwei neue Simulatoren erscheinen. Dabei gibt es schon jetzt kaum einen Beruf oder eine Tätigkeit, die noch nicht in einem Simulator für jedermann zugänglich gemacht wurde. Da es bei diesem riesigen Angebot kaum machbar ist, alle Spiele zu testen, möchten wir euch in diesem Special in unregelmäßigen Abständen die neuesten, besten oder auch kuriosesten Simulatoren vorstellen.
Teil 290: The Precinct The Precinct wurde im Vorfeld oft als Retro-GTA aus der Sicht eines Cops bezeichnet. Meiner Meinung nach hinkt der Vergleich aber gewaltig. Stattdessen erinnert mich The Precinct an ein ganz anderes Spiel.
Wenn man die ersten Sekunden von The Precinct sieht, kann ich gut verstehen, weshalb des Öfteren der Vergleich zu den klassischen GTAs gezogen wurde. Genau wie diese blickt man ebenso in The Precinct aus Iso-Ansicht auf die Stadt und das Geschehen. Und auch der ganze Stil erinnert bereits recht stark an ein klassisches GTA. Damit hat es sich für mich aber schon mit den GTA-Bezügen. Der Rest erinnert mich viel mehr an ein komplett anderes Spiel, welches ich in diesem Simulator-Special vorgestellt habe.
Die Rede ist vom Police Simulator: Patrol Officers. Weshalb das so ist? Da gibt es so einige Parallelen. Zum einen wäre da die Geschichte. Obwohl der Hauptprotagonist hier auch nach dem Mörder seines Vaters sucht, ist Nick Cordel Junior letztendlich doch ein ganz normaler Cop-Rookie, der in die Fußstapfen seines Angesehenen treten und in Avernos für Recht und Ordnung sorgen möchte. Das kommt Police Simulator-Spieler*innen doch irgendwie bekannt vor, oder nicht?
Und auch das eigentliche Gameplay dürfte beim geneigten Simulator-Fan für das ein oder andere Déjà-vu-Erlebnis sorgen. Denn anstatt wie in GTA jeden erdenklichen Quatsch zu machen, geht es hier im Grunde einfach nur darum, dem Polizei-Alltag nachzugehen. Mal gehen wir gemeinsam mit unserem zugewiesenen Partner zu Fuß auf Streife, um Falschparker aufzuschreiben, mal sind wir auf der Suche nach Rasen und zwischendurch gilt es auch mal illegale Sprayer zu verwarnen. Das Vorgehen erinnert dabei sehr stark an den Polizei-Simulator.
Ein gutes Beispiel dafür, was ich damit meine, ist das Ahnen von Falschparkern. Genau wie in Astragons Simulation gibt es hier ebenfalls verschiedene Arten dieses Vergehens – von abgelaufenen Parkuhren bis zum Zuparken eines Hydranten ist da alles dabei. Auch beim Verfolgen und Festnehmen eines Verdächtigen ist der Ablauf nahezu identisch. Nicht nur, dass wir immer darauf achten müssen, ob und in welchem Ausmaß wir Gewalt anwenden dürfen. Anschließend müssen wir dem Verdächtigen seine Rechte vorlesen, können ihn durchsuchen und seinen Personalausweis checken. Und ihn gegebenenfalls in Handschellen packen und ihn unseren Kollegen übergeben (wobei er dann genauso dumm dasteht wie seien Verbrecher-Kollegen im Police Simulator) oder ihn höchstpersönlich in die Zelle begleiten.
Doch damit ist noch lange nicht Schluss mit den Parallelen zum Police-Simulator: Patrol Officers. Auch die Bewertung für unsere Einsätze kommen einem sehr bekannt vor. Denn hier gibt es ebenfalls nur Plus-Punkte, wenn unser Vorgehen wirklich vorbildhaft war. Haben wir hingegen unnötig Gewalt eingesetzt oder sonstige Fehler gemacht, werden uns XP-Punkte abgezogen. Auf die Dauer steigen wir so langsam aber sicher im Rang auf, was und wiederum – Simulator-Fans werden es sich schon denken können - neue Fahrzeuge, neue Waffen und Fähigkeiten, wie etwa Nagelsperren, Panzerwagen oder Hubschrauber-Unterstützung, freischaltet.
Wer sich denkt, damit dürften die Ähnlichkeiten zum Police Simulator doch auch mal alle aufgezählt worden sein, irrt sich. Eine Sache gibt es da nämlich tatsächlich noch. Zwischen der alltäglichen Polizeiarbeit gibt es nämlich in Avernos ebenfalls immer mal wieder actionreiche Minuten, in denen wir böse Buben in Autos verfolgen oder sogar in den direkten Schusswechsel gehen müssen. Man könnte nun meine, dass diese Situationen sicherlich die spannendsten sind. Doch weit gefehlt. Denn leider sind die Schusswechsel bzw. das Aiming hier genauso fürchterlich wie im Police Simulator. Präzise zu schießen, ist hier nahezu unmöglich. Immerhin stehen wir in The Precinct dabei, aber nicht wie auf dem Präsentierteller. Stattdessen können wir uns hier hinter Autos in Schutz begeben, was gegenüber des Police Simulators immerhin einen großen Unterschied darstellt.
Unterschiedlich ist ebenso die Präsentation beider Spiele. Wie bereits erwähnt, spielt sich The Precinct aus der Iso-Perspektive, mit einem coolen 80er-Style der Spielwelt. Das ist jedoch nicht der einzige Unterschied. Auch wie die Story erzählt wird, unterscheidet sich bei beiden Spielen immens, wobei The Precinct hierbei aber nicht etwa seinem oftmals angepriesenen Vorbild GTA nacheifert. Ganz im Gegenteil. Zwar gibt es hier ebenfalls gelegentliche Videosequenzen, die allerdings wenig mit der GTA-Qualität zu tun haben. Sie kommen nicht einmal an die des Police Simulators heran – und wer das Spiel kennt, weiß, was das bedeutet. Videosequenzen stellen aber ohnehin eher die Ausnahme dar. Wenn sich Polizei-Kollegen unterhalten, läuft dies viel mehr als Standbild ab, wie man sie etwa aus Visual Novels kennt. Nur mit dem Unterschied, dass die Protagonisten bei Visual Novels immer vor liebevoll handgezeichneten Hintergründen stehen, was sie hier nicht machen.
Fazit: Als Simulations-Freund und jemand, der mit dem Police Simulator seine Freude hatte, hat mir auch The Precinct gut gefallen. Den Polizei-Alltag aus einer anderen Perspektive und in einem leicht anderen Stil nachgehen zu können, hatte etwas. Wer sich hingegen erhofft hatte, wie vor der Veröffentlichung oft angepriesen, ein klassisches GTA aus der Polizei-Perspektive spielen zu dürfen, wird wohl sehr enttäuscht sein. Anstatt einer spannenden Geschichte und jede Menge Quatsch, gilt es hier Strafzettel zu verteilen und einer Erzählung zu folgen, die vorhersehbarer kaum sein könnte.
Ob Du Dir The Precinct nun kaufen solltest oder nicht, hängt also davon ab, zu welcher Seite Du Dich zählst – denn davon hängt ab, ob Du mit dem Spiel Spaß haben wirst oder es nach kurzer Zeit frustriert ausschalten wirst.
