Krieg gehört zu Videospielen wie das Fleisch auf den Hamburger – da gibt es nichts dran zu rütteln. Egal ob in Strategiespielen oder in Shootern, egal ob in der Antike, in der Gegenwart, in der Zukunft, im Weltall oder in einer Fantasywelt, jeder von uns hat auf irgendeine Art und Weise ganz sicher schon mal virtuell Gegner getötet. Da der Krieg in Videospielen so allgegenwärtig ist, ist es natürlich auch ein ideales Thema für die mittlerweile dreizehnte Ausgabe des WASD-Magazins, dem Bookazine für Gameskultur.
Wie eingangs erwähnt, präsentiert sich der Krieg in Videospielen in zahlreichen Varianten. Genauso facettenreich gehen auch die (Gast-)Autoren der WASD dieses Thema unter dem Titel Krieg und Spiele an. Robert Glashüttner porträtiert mit Chris Crawford zum Beispiel einen Superstar der frühen Gamesindustrie, wobei der gelernte Physiker mit Eastern Front 1942, Gossip oder Balance of Power vor allem als Pionier der Kriegs- und Antikriegsspiele gilt.
Der deutsche Spieledesigner und Autor Martin Ganteföhr schreibt hingegen über seine eigenen Erfahrungen und wie er als Dozent mit seinen Studenten des Cologne Game Lab der TH Köln die ITEC 2017 (Messe für Militärsimulation, Training und Ausbildung) in Rotterdam besuchte, um ihnen einen Einblick in die Welt von Rheinmetall, Lockheed, Thales und Co. zu gewähren, mit dem Hintergrund, ein Serious Game mit Kriegsthema entwickeln zu können. Ein wirklich interessanter Beitrag, der zeigt, dass selbst Kriegsdienstverweigerer in Videospielen nicht am Krieg vorbeikommen.
Tobias Nowak blickt in seinem Essay „Ohne Krieg ist langweilig“ hingegen auf die Kriege im Online-Multiplayer-Strategiespiel EVE Online, in dem riesige Schlachten über Tage, Wochen, ja, sogar Monate ausgefochten werden. Dass dabei nicht sinnlos rumgeballert wird, sondern echte Strategien ausgeklügelt werden, mit denen der Feind besiegt werden soll, wird hier sehr gut beschrieben.
Das Thema Krieg wird aber nicht nur im engeren Sinne und anhand von Spielen thematisiert. Einige Autoren nehmen das Thema auch zum Anlass über rechtsradikale Ideologien, die rund um das Thema Gaming leider immer weiter zunehmen, zu sprechen. So wie etwa Christian Huberts, der erschrocken feststellen musste, dass es hinter dem Mantel des Online-Distributionsdienstes Steam scheinbar eine ganze Community gibt, die offen rechtsradikales Gedankengut verbreitet. Als jemand der selbst höchstens Review-Keys in Steam einlöst und dann die Spiele öffnet, wusste ich selbst darüber bisher auch nichts und war dementsprechend genauso schockiert und gleichzeitig beschämt, all dies in diesem Artikel lesen zu müssen.
Genauso Augen öffnend ist auch Eugen Pfisters „Ein ganz gewöhnlicher Krieg“, in dem der Historiker und Leiter des SNF-Forschungsprojekts „Horror-Game-Politics“ an der Hochschule der Künste Bern die Frage stellt, ob Spiele den Holocaust thematisieren müssen und ob eine verantwortungsvolle Inszenierung des Holocausts in Spielen überhaupt möglich ist. Gleichzeitig stellt er aber auch fest, dass gerade dieses Thema meist gar nicht in Spielen auftaucht. Vielmehr dienen Nazis dort zumeist einfach nur als austauschbare Antagonisten – ihre wirklichen Gräueltaten werden hingegen meist verschwiegen.
Genauso ernst, aber wieder mit einer anderen Herangehensweise, geht Arno Görgen an das Thema heran. Er schreibt nämlich, wie Videospiele posttraumatische Belastungsstörungen sichtbar machen und Patienten sogar bei der Heilung helfen können. Ein wirklich toller Artikel, der absolut empfehlenswert ist, was aber eigentlich für alle Artikel gilt.
Wer zwischen diesen ganzen ernsten Essays zum Thema Krieg in Spielen, von denen es noch eine ganze Reihe mehr gibt, mal etwas Auflockerung benötigt, findet diese natürlich auch. So gibt es mit „Mein Computerspiel-Waterloo“ etwa einen Artikel, in dem drei verschiedene Autoren ihre größten Niederlagen in Videospielen niedergeschrieben haben. Darüber hinaus gibt es natürlich auch wieder die mittlerweile allseits bekannten und wiederkehrenden Kolumnen wie etwa „Mein Leben in Spielen“ in dem diesmal Schlecky Silberstein (u.a. Entwickler von Bundesfighter 2 Turbo) über die prägendsten Spiele seiner Kindheit schreibt. Nicht fehlen darf natürlich auch das „Quartett der Videospiel-Skandale“, das in seinem mittlerweile elften Teil die Skandale zwischen Dezember 2015 und Mai 2016 thematisiert.
Als weitere Abwechslung zum Hauptthema gibt es selbstverständlich auch wieder die „Spiele“-Sektion, in der verschiedene Autoren unterschiedliche Spiele auf ganz eigene Art und Weise besprechen. Wie üblich finden sich hier nicht nur relativ aktuelle Spiele wie etwa Wolfenstein II: The New Colossus, sondern auch echte Retro-Perlen wie Blade Runner und skurrile Spiele wie Genital Jousting wieder. Doch egal ob neu, alt oder skurril, die Besprechungen und Erfahrungsberichte sind alle äußerst unterhaltsam.
Zum Abschluss erwartet einen, wie in jeder WASD, auch diesmal wieder die „Spielwiese“, wo Autoren ganz nach Belieben Themen aussuchen können. Das wurde auch wieder gemacht, so wie etwa im Fall von Lana Polanyski, die sich hier einmal den sogenannten „Empathy Games“ gewidmet hat – um nur mal ein Beispiel zu nennen.
Fazit:
Wie üblich ist auch die nunmehr dreizehnte WASD wieder vollgepackt mit äußerst interessanten Essays, die aufgrund des Hauptthemas diesmal zumeist etwas ernster als sonst ausfallen. Weniger lesenswert oder gar uninteressanter sind sie deswegen aber keinesfalls. Ganz im Gegenteil, gerade auf welch vielfältige Art und Weise das Thema Krieg angegangen und dabei auch heikle Themen nicht verschwiegen wurden, ist sehr interessant zu lesen.
Wer gerne über den (Gaming-)Tellerrand blickt und mehr als die üblichen Gaming-Artikel über irgendein Jubiläum oder Ähnliches lesen möchte, sollte sich also auch diese Ausgabe des WASD-Magazins nicht entgehen lassen.
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