Arcania: Gothic 4
Entwickler:
Spellbound Entertainment
Publisher:
JoWooD
Genre:
Action
USK Freigabe:
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
50 €
Systeme:
PC, PlayStation 3, Xbox 360
Inhalt:
Die deutsche Rollenspielreihe Gothic war - zumindest was die ersten beiden Teile angeht - sehr beliebt und fuhr Höchstwertungen in der Fachpresse ein. Mit dem 4. Teil soll nun auch der internationale Ruhm kommen, wofür scheinbar aber ein paar Anpassungen für das neue Publikum getroffen werden mussten. Unter dem Titel Arcania begeben wir uns in die düstere Welt der deutschen Rollenspiele.
Meinung:
Ganz so düster ist es dann aber doch nicht, denn unser Held beginnt seine Reise in einem ruhigen Dörfchen auf einer kleinen Insel als Schafhirte. Damit sein Schwiegervater in spe der geplanten Heirat mit der hiesigen Dorfschönheit zustimmt, müssen drei Aufgaben gemeistert werden, die als Tutorial für einfache Quests, Unterhaltungen und den Umgang mit den verschiedenen Waffen dienen. Kaum sind die Aufgaben erledigt, wendet sich aber das Blatt. Während der Held sich in einer Höhle befindet, wird sein Dorf von den Männern des Königs heimgesucht, niedergebrannt und jeder Bewohner getötet. Der Held schwört Rache und segelt zum Festland.
Verlaufen? Wohl kaum...
Gothic-Veteranen sind es gewohnt, in einer riesigen Welt überall hingehen zu können, selbst wenn sie für die gefährlichen Gegner in den Gebieten eher eine schmackhafte Mahlzeit als eine Gefahr darstellen. In Arcania stellt sich relativ schnell heraus, dass man aus den kleinen Gebieten erst nach Abschluss der Story-Missionen herauskommt. Ständig wird der Weg von Wachen versperrt. Abseits der Hauptmissionen gibt es einige wenige Nebenquests zu erledigen.
RPG Light
Kommen wir aber erst einmal zum wirklich Grundlegenden: dem Charakter. Unser Held aus den Vorgängern ist nun König, verhält sich seltsam und kriegstreiberisch. Der neue Held ist serientypisch namenlos und kann nach freiem Wunsch geformt werden. Allerdings stellt sich bereits beim ersten Levelaufstieg heraus, dass Rollenspielelemente aus den Vorgängern drastisch reduziert wurden. Einzelne Fähigkeiten werden nun nicht mehr aufgewertet. Stattdessen können pro Level drei Punkte in acht Wege investiert werden, die nach und nach verschiedene Fähigkeiten freischalten. So bekommen Nahkämpfer mehr Angriffsoptionen und höheren Schaden, Magier bekommen stärkere Zauber und Fernkämpfer mehr Genauigkeit. Die Fähigkeit zu schleichen hat ihren eigenen Skillweg, stellt sich in der Praxis aber als absolut nutzlos heraus.
Schlösser können, sobald die Fähigkeit im Verlauf der Handlung erworben wurde, problemlos geknackt werden, da hierfür lediglich ein simples Minispiel absolviert werden muss, das bei Versagen beliebig oft wiederholt werden kann. Wie ein Schlag ins Gesicht für Rollenspiel-Fans wirken die sogenannten "Rollenspiel-Objekte". Bei diesen handelt es sich um Buchständer oder Wetzsteine, die zwar benutzt werden können, aber keinerlei Effekt haben.
Der Held lernt aus Büchern nichts (es gibt nicht einmal einen Text für den Spieler zu lesen) und das Schwert wird auch nicht schärfer. In Betten schlafen bietet nun auch nicht mehr die Möglichkeit, die Zeit schneller vergehen zu lassen. Es wird lediglich die Illusion eines RPGs vermittelt. Ebenso verhält es sich mit freien Entscheidungen. Wer früher Chaos stiften wollte, konnte gemütlich ganze Dörfer abschlachten. Arcanias NPCs interessiert weder, ob man ihre Schatztruhen plündert oder sie mit Blitzen beharkt.
Gothic 3-Syndrom
Bis hierhin liefert Arcania durchschnittliche Rollenspiel-Kost ab. Der eifrige Spieler gibt sich damit zufrieden, dass die Welt zumindest groß wirkt. Ja, "wirkt" ist hier das richtige Wort. Die anfangs verdeckte Weltkarte verspricht ein langes Abenteuer, nachdem die ersten Abschnitte auf der Hauptinsel absolviert wurden. Schnell stellt sich aber heraus, dass wohl wieder einmal alles schnell gehen musste. Die halbe Insel bekommt man nämlich gar nicht erst zu sehen. Stattdessen läuft man in der zweiten Hälfte hauptsächlich unterirdisch durch dunkle Höhlen und Verliese und trifft kaum noch auf NPCs, die etwas zu sagen haben. Ein Schelm, wer hierbei an eine mögliche DLC-Ausschlachtung denkt, zumal das Ende offen bleibt.
Optische Wohltat vs. Augenkrebs
Grafisch birgt Arcania ein Wechselbad der Gefühle. Von der stilistischen Entscheidung, alles ein wenig heller und freundlicher zu gestalten einmal abgesehen, sieht die Welt selbst sehr gut aus. Es gibt eine ordentliche Weitsicht und die Charaktere sind gut animiert. Auf der XBox360 zumindest gibt es aber permanente Pop-Up-Fehler, flackernde Schatten und verschwindende Texturen, die der Atmosphäre schaden. Auf der Disc findet sich außerdem neben der deutschen Synchro auch eine englische Fassung, die beide sehr gut gelungen sind. Vor allem die deutsche Version wartet mit bekannten Sprechern aus früheren Teilen auf.
Fazit:
Die Endwertung von Arcania ist ein wenig irreführend, denn für sich genommen handelt es sich hierbei nicht um ein schlechtes Spiel. Es ist ein nettes kleines Anfänger-Rollenspiel, mit dem man ein paar Stündchen Spaß haben kann. Das große Problem ist aber, dass es den Untertitel Gothic 4 trägt. Diesem Namen wird es einfach nicht gerecht und enttäuscht auf ganzer Linie. Die hellbunte Welt von Arcania und die Geradlinigkeit passen einfach nicht zu einem wahren Gothic. Hinzu kommen die ständigen Grafikfehler, der niedrige Schwierigkeitsgrad und das Gefühl, dass das Spiel einfach nicht fertig geworden ist. Fans von Gothic 1 & 2 lassen hiervon besser die Finger.
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Autor der Besprechung:
Kai Wommelsdorf
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