Deck 13, die Spieleschmiede aus Frankfurt, hat sich an einem Action-Rollenspiel mit OpenWorld versucht, dass mich bereits im ersten Trailer für sich eingenommen hat. Darin surften die Protagonisten auf Dünen in der Wüste herum und bekämpften mit viel Wucht und magischen Spezialeffekten dämonische Kreaturen nur um nebenbei eine wacklige Brücke für eine hilflose Karawane zu stabilisieren. Das sah für mich nach Kampfmagiern aus und für die habe ich eine Schwäche, wann immer man so etwas spielen kann.
Meinung:
Weil alle Welt es nicht unerwähnt lässt, komme auch ich nicht umhin zu schreiben, dass der ursprünglich geplante Veröffentlichungstermin vom Mai dieses Jahres auf den August verschoben wurde. Das finde ich zum einen für ein Projekt dieser Größenordnung vollkommen vertretbar und zum anderen finde ich die Begründung der Entwickler, dass man die „bestmögliche Version“ abliefern wolle, mehr als solide. In der Zeit bekam das Spiel unter anderem eine vollständige deutsche Sprachausgabe spendiert.
Nach einem kurzen Prolog finden wir uns als Spieler in einem Charaktereditor wieder, in dem wir genretypisch Geschlecht, Haare und Physiognomie zu einem Avatar nach unserem Geschmack mischen können. Das stellt sich als keine leichte Aufgabe heraus, da – ich weiß nicht so recht, wie ich es korrekt formulieren soll – die Modelle alle ein wenig in die Jahre gekommen und mitunter leicht dümmlich aussehen. Hier hat Atlas Fallen etwas Minuspunkte im ersten Eindruck gesammelt bei mir.
Namenloser Held in Gefangenenlager Danach starten wir als ein Namenloser in einem Gefangenenlager durch und werden auf eine unwirtliche Wüstenwelt losgelassen, in der ein Großteil der Menschheit für den unbarmherzigen Gott Thelos um jeden Preis nach Rohstoffen schürft, und arbeiten uns durch einen etwas drögen Prolog, den man am ehesten als Rollenspiel Einheitskost bezeichnen könnte: „Folge der Questmarkierung. Spreche mit der Finderin. Finde den Bösen in einer Höhle, besiege dein erstes Monster und lerne im Verlauf in rascher Reihenfolge die wichtigsten Spielmechaniken kennen“, könnte eine Beschreibung der ersten ein bis zwei Spielstunden lauten.
Tatsächlich hat man die wichtigsten Sachen, was das Gameplay angeht, dann beigebracht bekommen. Wie einst Celebrimbor in Schatten über Mordor, so steht uns auch in Atlas Fallen ein Geist mit Rat und Tat zur Seite, der mitunter tatkräftig ins Geschehen eingreift. Dieser „wohnt“ in einem im Spiel nur „der Gauntlet“ genannten Kampfhandschuhe, der eine lange Vorgeschichte hat. Mit uns als Träger will Nyaal (so heißt der Geist) den Handschuh zu alter Größe führen und wir wollen unser unterdrücktes Volk retten. Eine klassische Win-Win-Situation also.
Not Souls like Im Gegensatz zum von der Fachpresse gelobten letzten Titel von Deck 13, The Surge 2, ist Atlas Fallen deutlich zugänglicher und nicht voller Souls-typisch grenzwertig frustrierender Gameplay-Momente. Die Gegner erfordern gerade am Anfang ein wenig Übung, bis man mit den verschiedenen Kampfmanövern vertraut ist, hier stellt sich jedoch recht flott eine Lernkurve ein, welche die Gegner dann auch mit Wucht zu spüren bekommen. Zudem werden Fehlversuche bis hin zum Ableben unseres Avatars nur insofern bestraft, als dass man sich einleitende Dialogsequenzen vor einem mehrmals in Anlauf genommenen Kampf immer wieder anschauen muss, ohne abbrechen zu können.
Das Kampfsystem Neben der insgesamt coolen Optik und dem unverbrauchten Wüsten-Fantasy-Setting sind die Kampfmechaniken mit Sicherheit das stärkste Verkaufsargument von Atlas Fallen. Von der Handvoll gefundener Waffen, dürfen wir eine immer als Haupt und eine als Nebenwaffe ausrüsten. Jede davon verfügt wiederum über eine Standard- und eine Alternativattacke. Wenn wir im Kampf geschickt agieren und nicht ständig getroffen werden (ausweichen oder mit einer Art Versteinerungsskill kontern beziehungsweise Blocken) lädt sich ein Ressourcenbalken auf, der uns im Verlauf des Kampfes einerseits immer stärker werden, jedoch auch mehr Schaden nehmen lässt. Zusätzlich finden sich an dem Balken mehrere Punkte zu denen aktive oder passive Fähigkeiten genutzt werden können, die das Kampfgeschehen deutlich verändern. Welche das sind, hängt von den ausgerüsteten Essenzsteinen ab (dazu mehr im Anschluss). Kleine Markierungen am Rand unseres Gesichtsfeldes, die sich mitunter plötzlich rot färben zeigen uns an, dass sich ein Gegner von hinten nähert und wir schnell reagieren sollten. Verletzliche und besonders schwer gepanzerte Körperteile sind bei größeren Gegnern farblich hervorgehoben, so dass wir zielgerichtet vorgehen können. Gerade zu Beginn betrieb ich in den Kämpfen noch vorwiegend Buttonmashing, was sich dann durch Ausprobieren schnell zu raffinierteren Manövern entwickelte. Spaß machen die Kämpfe in jedem Fall, und zwar am meisten mit dem Controller. Im Übrigen gibt es auch einen Koop-Modus. Ihr könnt mit einem Freund gemeinsam losziehen und Wüstenphantome schnetzeln, allerdings nur online. Einen Splitscreen gibt es nicht. Dafür bekommt jeder seinen Spielfortschritt angerechnet. Wichtig: Der Freund/die Freundin braucht das Spiel auf der gleichen Plattform wie ihr. Crossplay gibt es nicht. Trotzdem eine coole Option, finde ich.
Essenzsteine, Rüstungsupdates, Perks und Gauntlet-Fragmente Nyaal der Geist im Handschuh macht uns schnell klar, dass der Handschuh erst so richtig krass wird, wenn wir die über die ganze Spielwelt verstreuten Fragmente finden (was ihm zugleich auch seine Erinnerungen wiedergibt). Dadurch schalten wir neue Fähigkeiten wie das Anheben von Gebäuden aus dem Sand oder einen zusätzlichen Sprung in der Luft frei, mit dem wiederum neue Areale zugänglich werden. Das schreit förmlich nach der Erkundung einer OpenWorld.
Die Waffen selbst lassen sich nicht direkt upgraden, jedoch wirken sich zahlreiche der Essenzsteine, die man bei vielen Gelegenheiten im Spiel findet auf die Waffeneffekte aus. Es gibt circa 150 Steine, die jeweils (entsprechende Ressourcen vorausgesetzt) noch verbessert werden können. Die Effekte reichen von mehr Schaden über mehr Rüstung und zusätzliche Attacken bis hin zu Eigenschaften, wie der Chance eine Heilung ohne Ressourcenkosten durchzuführen.
Neben den Fragmenten des Gauntlets und den Essenzsteinen bietet die Spielwelt zahlreiche versteckte oder offensichtlich Sammelobjekte. Da gibt es Tagebuchseiten, Briefe, alte Haushaltsgegenstände oder schlicht Geld. Den Großteil dessen, was wir finden, benötigen wir nicht, sondern versilbern es in bester Rollenspielmanier beim reisenden Händler unseres Vertrauens. Das fühlt sich ein klein Bisschen nach der Ubisoft-Formel an…
Haben wir genug Essenz gesammelt, können wir damit Rüstungen verbessern. Es gibt 10 verschiedene Rüstungen im Spiel, die individuelle Vorteile mit sich bringen. Jede lässt sich verbessern. Da es keine andere Möglichkeit im Sinne von Levelaufstiegen oder dergleichen gibt, um unsere Charakterwerte zu pimpen, ist der Rüstungsaufstieg eine wichtige Spielkomponente, um stärker zu werden.
Schick, aber trostlos Die ausgedehnten im Sand verborgenen Höhlen oder das vertikale Leveldesign der Wüstenlandschaften und Felsklippen sehen sehr schick aus und sind mitunter großartig beleuchtet. Auch wie unser Avatar mühelos über den Sand gleitet, und dem Sonnenuntergang entgegen surft, ist stylish. Leider bleibt die in sich schick gestaltete OpenWorld in großen Arealen leer und ungenutzt. Niemand geht einen eigenen Tagesablauf nach, keine Karawane zieht durch die Wüste, keine Nomaden tränken ihre Reittiere, keine Vögel am Himmel keine Dornenbüsche rollen durch die Siedlungen. Hier läge meines Erachtens viel ungenutztes Potenzial, um die Spielwelt immersiver zu gestalten.
Fazit:
Eine schicke, aber leider trostlose, da zu leere OpenWorld. Kampfmagier, die auf dem Sand surfen und magischer schrittweise upzugradender Kampfhandschuh. Das holt mich ab. Das Kampfsystem macht Spaß und ist nicht frustrierend schwer zu erlernen. Die Vertonung ist richtig gut. Nicht leicht ein Gesamturteil zu fällen. Für Genrefreunde, sicher einige Stunden sehr unterhaltsam, aber vermutlich kein Evergreen
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