Tourist Trophy - The Real Riding Simulator
Entwickler:
Polyphony Digital
Publisher:
Sony Computer Entertainment
Genre:
Sport
USK Freigabe:
Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
60 €
Systeme:
PlayStation 2
Inhalt:
Dass man im Hause Polyphony Digital über hervorragende Grafik- und Physik-Engines für Rennspiele verfügt, ist zumindest jedem Gran Turismo-Spieler bewusst. Da ist es naheliegend, dieses technische Grundgerüst, das bislang nur zur Simulation automobiler Wunschträume herhielt, auch einmal für ein Motorradspiel einzusetzen. Nach nur zehn Monaten Entwicklungszeit liegt jetzt mit Tourist Trophy - The Real Riding Simulator das Ergebnis dieses Technologietransfers vor. Dass das Spiel Gemeinsamkeiten mit GT4 aufweist, ist angesichts seiner Herkunft wohl nicht überraschend. Aber es gibt auch so manchen Unterschied ...
Meinung:
Die eklatantesten Überschneidungen zwischen Tourist Trophy und Gran Turismo 4 gibt es bei der Streckenauswahl: Lediglich der Circuit Ricardo Tormo in Valencia ist völlig neu ins Programm aufgenommen worden, alle anderen 36 Kurse kennt man bereits aus dem jüngsten GT-Spiel, auch wenn die Motorräder mitunter leicht veränderte Streckenführungen fahren. Bei langjährigen Polyphony-Fans könnten sich mittlerweile Ermüdungserscheinungen einstellen, da sie seit nunmehr zehn Jahren immer wieder Trial Mountain und den High Speed Ring vorgesetzt bekommen. Andererseits ist das grundlegende Design der erfundenen Strecken nach wie vor hervorragend und erfordert auf zwei Rädern eine völlig neue Herangehensweise. Die Umsetzungen der realen Strecken wie Laguna Seca, Suzuka und vor allem der Nürburgring-Nordschleife sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Leider wurde der berühmte 60-Kilometer-Kurs auf der Isle of Man, auf dem alljährlich die namensgebende "Tourist Trophy" ausgetragen wird, nicht ins Spiel aufgenommen. Die Lizenzprüfungen aus Gran Turismo feiern in Tourist Trophy ebenfalls ihr Comeback - diesmal sind es allerdings "nur" 40 Übungen, die es zu absolvieren gilt.
In Deckung! Dass ein Motorrad sich auf der Rennstrecke nicht wie ein Auto verhält, dürfte klar sein. Daher steuert sich Tourist Trophy auch anders als sein vierrädriges Vorbild: Vorder- und Hinterradbremse lassen sich separat ansprechen, und per Button duckt sich der Fahrer tief hinter den Lenker, um möglichst wenig Windwiderstand zu bieten. Außerdem kann per Stick das Gewicht nach vorne (für besseres Einlenken) oder hinten (für bessere Beschleunigung) verlagert werden. Motorrad-Neulinge, denen dieses System zu kompliziert ist, können auch auf zwei unterschiedlich stark vereinfachte Steuerungsvarianten zurückgreifen, bei denen z.B. die Gewichtsverlagerung automatisch stattfindet und die Traktionskontrolle stärker eingreift. Das Suchen der Ideallinie nimmt dem Spieler aber niemand ab - und das ist auch gut so, denn das Ausloten der physikalischen Grenzbereiche gehört zweifellos zu den aufregendsten Elementen des Spiels. Deutlich weniger spannend fällt hingegen der Wettkampf mit den KI-Gegnern aus. Von denen sind wegen der komplexen Polygonmodelle der Motorräder nämlich nur maximal drei gleichzeitig auf der Strecke - das ist ganz klar zu wenig, um für spannende Überholduelle zu sorgen.
Vom Pizzaboten zum Rennfahrer Die Zweirad-Auswahl reicht von Motorrollern über Offroad-Maschinen und Cruising Bikes bis hin zu Supersport- und schließlich sogar reinrassigen Rennmaschinen. Insgesamt enthält Tourist Trophy über 130 verschiedene Motorräder mit jeweils individuellen Handling, die man durch einen gelungenen Gameplay-Kniff nach und nach auch fast alle mal ausprobieren wird, denn im Karrieremodus beginnt man mit genau einem einzigen Scooter. Alle weiteren Maschinen muss man sich erst per gewonnener "Herausforderung" verdienen, indem man sich sein Wunsch-Gefährt "ausleiht" und damit im Duell ein leistungsmäßig vergleichbares Motorrad besiegt - als Belohnung landet der gewählte Hobel in der eigenen Garage. Weitere Maschinen gewinnt man in den insgesamt 23 Meisterschaften, die für bestimmte Hubraumklassen oder nur für einzelne Motorradmodelle freigegeben sind.
Kaum frisiert, aber gut gekleidet Wer den vorigen Absatz genau gelesen hat, dem wird aufgefallen sein, dass im Gegensatz zur konsumorientierten Gran Turismo-Serie das liebe Geld bei Tourist Trophy überhaupt keine Rolle spielt. Das liegt auch daran, dass es für die Krafträder keine Tuning-Teile gibt: Jede gewonnene Straßenmaschine bringt gleich einen optionalen Sportauspuff mit - alle weiteren Leistungsverbesserungen muss man dann durch Optimierung des Setups erzielen. Diese Abkehr vom Geldhorten und Turbo-Wettrüsten ist vielleicht für manche GT-Veteranen gewöhnungsbedürftig, beschleunigt das Vervollständigen des Fuhrparks aber ungemein. Ebenfalls geldlos kommt man an neue Helme, Lederkombis, Stiefel und Handschuhe für den Fahrer. Außerdem ist die Haltung des gut und glaubhaft animierten Fahrermodells vollständig justierbar: Vom Neigungswinkel der Arme über das Kopfrollen bis hin zum seitlichen Rutschverhalten im Sattel lässt sich alles frei einstellen, wobei es natürlich Auswirkungen aufs Fahrverhalten hat, welchen Stil man dem virtuellen Motoristen zuweist.
Durchs Visier Im Spiel stehen drei Perspektiven zur Wahl. Dabei vermittelt vor allem die "Helmkamera" ein großartiges Geschwindigkeitsgefühl, wozu die gut umgesetzten Vibrationen sowie das stetig anschwellende Windgeräusch einen erheblichen Teil beitragen. In dieser Spielperspektive sieht man übrigens auch den Lenker und die Instrumente vor sich, die sich natürlich von Maschine zu Maschine unterscheiden. Leider sind einige der "Cockpits" grafisch nicht ganz so hochauflösend wie der Rest des Spiels geraten, so dass man ab und zu unschön gezahnte Textur-Ränder erblickt. Das trübt den insgesamt wieder einmal nah an der fotorealistischen Perfektion liegenden Look allerdings nur unwesentlich. Bei derart hochwertiger Grafik freut sich der Kraftrad-Fan, dass der aus GT4 bekannte Foto-Modus auch bei Tourist Trophy mit an Bord ist, mit dem man hübsche Bike-Bilder knipsen und dann z.B. auf den PC exportieren kann. Eine neue Option namens "Bestes Bild" erspart dem Spieler sogar die Mühe, selbst auf Motivjagd zu gehen und erstellt automatisch eine Auswahl von Fotos. Darunter befinden sich zwar auch regelmäßig komplett unscharfe Bilder, aber "für den Hausgebrauch" reichen die Resultate allemal. Wer hohe künstlerische Ansprüche an die Aufnahmen stellt, ist dennoch besser beraten, wenn er die Fotos selbst schießt.
Dann lieber Radio hören ... In der Sound-Abteilung ist der Eindruck etwas zwiegespalten: Die Motoren an sich klingen schlichtweg hervorragend. Ob knatternder Zweitakter, tief brummende Tourenmaschine oder jenseits der 13.000 U/min kreischendes Superbike: Alle Motorräder haben ihren ganz eigenen Sound, der überzeugend die Kraft widerspiegelt, die da unter der Verkleidung schlummert. In den Menüs ertönt die seicht dudelnde Jazzmusik, die inzwischen fast schon zum Markenzeichen von Polyphony geworden ist. Ein kompletter Fehlgriff ist allerdings die sonstige Musikauswahl des Spiels geworden: Reichlich gesichtslose Trance- und Elektroklänge belästigen hier die Ohren. Ein Grund mehr, die Musik während der Rennen komplett abzuschalten, um sich voll und ganz auf den verzückenden Klang der Maschine zu konzentrieren.
Fazit:
Für Tourist Trophy - The Real Riding Simulator gilt das, was man schon aus den Gran Turismo-Titeln
weiß: Wer packende Überholduelle in einem dicht gedrängten Pulk von
KI-Fahrern erleben will, ist bei Spielen von Polyphony Digital an der
falschen Adresse. Dafür sind vor allem beim aktuellen Zweirad-Ableger
einfach zu wenige (und zu schwache) Gegner auf den Pisten unterwegs.
Die wahre Herausforderung ist hier das Meistern der Maschine und der
Strecke - der Untertitel des Spiels legt ja schon nahe, dass es vor
allem ums Fahren (Riding) selbst gehen soll. Und in dieser Disziplin gibt Tourist Trophy
sich wahrlich keine Blöße:
Es bietet ein nahezu perfektes (und an jeden
Talentgrad anpassbares), dynamisches Fahrgefühl sowie eine große
Auswahl an Strecken und Fahrzeugen - und sieht dabei auch noch
weitgehend fabelhaft aus. Eingefleischte GT-Fans, die sich auch
für Motorräder erwärmen können, werden von diesem Konzept wohl am
ehesten angesprochen und dürften sich schnell an das Fehlen des
Geldsystems gewöhnen.
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Autor der Besprechung:
Manuel Tants
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