Tropico 3
Entwickler:
Haemimont Games
Publisher:
Kalypso Media
Genre:
Strategie
USK Freigabe:
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
34,95 €
Systeme:
PC, Xbox 360
Testsystem:
Intel Core Duo @ 3 GHz; 4 GB RAM; ATI Radeon HD 4800
Anforderungen:
2,4 GHz Dual-Core; 2 GB RAM; 512 MB Grafikkarte
Inhalt:
Es ist noch nicht wirklich lange her, da war ein gewisser Fidel Castro noch regelmäßig in der Tagesschau zu sehen, mit strahlendem Siegerlächeln und klassischem Silberrücken-Bart die Zuversicht eines überzeugten Kommunisten in die Mattscheibe brennend. Heute steht der alte Klassenkämpfer weniger im Rampenlicht und auch die Geschicke Kubas lenkt inzwischen jemand anderes: sein Bruder Raúl Modesto Castro Cruz. Denn leider hat mit den Jahren nicht nur Fidels Körper an Vitalität verloren, auch die politische Strahlkraft der vermeintlichen Südseeidylle hat nachgelassen. Dabei ist das Leben zwischen Karibikstrand, Zuckerrohr und den mit Bestechungsgeldern finanzierten Landhäusern zumindest theoretisch ja nicht zu verachten. Folglich versuchen sich seit 2001 in der Tropico-Reihe unzählige mitteleuropäische Kapitalisten darin, sich an die Spitze einer (elektronischen) Südseeinsel zu putschen und diese Position zu verteidigen. Und da man an einem (ökonomisch) funktionierenden Spielprinzip bekanntlich nichts ändern sollte, geht es auch in der jetzt erschienenen dritten PC-Ausgabe , bzw. der ersten Xbox 360-Ausgabe, des Ganzen, Tropico 3, um nichts anderes.
Meinung:
Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Tropico-Reihe sind die stringenten Spielinhalte in den drei Teilen allerdings keine Selbstverständlichkeit. Denn während Teil eins und zwei vom amerikanischen PopTop Software-Studio für Publisher Take 2 entwickelt wurden, stammt Tropico 3 aus Bulgarien. Namentlich zeigten sich diesmal die Programmierer von Haemimont Games für die Entwicklung, die Publisher von Kalypso Media für alles weitere verantwortlich. Am Alltag als El Presidente in der Karibik ändert das aber herzlich wenig.
Klassisches Dreigestirn Zur Verfügung stehen wieder drei Formen des Spiels: Kampagne, Zufallsspiel und Multiplayer. Wer sich unter Ersterem aber eine durch eine durchgängige Storyline verbundene Reihe von Einzelmissionen vorstellt, dürfte durch das, was in Tropico 3 als „Kampagne“ läuft, enttäuscht werden. Denn auf so etwas wie Story und Zwischensequenzen wartet der Spieler vergebens, vielmehr erwarten ihn zahlreiche, interessant gestaltete Missionen, deren Herausforderungen aber eher im strategischen Bereich liegen und die untereinander nicht verbunden sind. Zufallsspiel und Multiplayer hingegen entsprechen den üblichen Vorstellungen. Soviel vorab.
Riesige Datenmengen... Fans von Wirtschaftssimulationen werden jetzt natürlich zu Recht einwenden, dass eine epische Storyline auch wirklich nicht in ein Genre gehört, das seinen Reiz aus ökonomischen Zahlenspielen gewinnt. Und tatsächlich hat sich Tropico 3 hinsichtlich der Simulation von einem komplexen Wirtschaftssystem auch nichts vorwerfen zu lassen. Bedingt durch verschiedene Bereiche (Tourismus, Bergbau, etc.) entwickelt sich die Situation auf der Südseeinsel realistisch und komplex, was vor allem an den gut ineinander greifenden Facetten des Wirtschaftssystems liegt.
… sinnvoll zugänglich gemacht Das können allerdings auch andere Konkurrenten von Tropico 3. Allerdings haben die Entwickler von Haemimont, und das hebt das Spiel wohltuend von anderen Genrevertretern ab, dem Spieler den Zugriff auf die entscheidenden Faktoren der Wirtschaft sehr einfach gemacht. Schnell und leicht verständlich lassen sich so auch umfangreiche Strategiewechsel durchführen, ohne dass dazu unzählige Tabellen etc. zu Rate gezogen werden müssen. Dank der bereits angesprochenen, trotzdem vorhandenen Tiefe des Spiels gelingt Tropico 3 aber das Kunststück, sowohl Hardcore-Statistiker als auch Feierabend-Finanzplaner angemessen zu fordern. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass die Steuerung auch auf der Xbox 360 gut funktioniert. Zwar braucht man seine Zeit bis man durch die recht verschachtelten Menüs blickt, wenn dies aber dann der Fall ist, kommt man aber schnell zu dem gewünschten Menüpunkten. Voraussetzung ist allerdings, dass man einen großen HD-Fernseher im Zimmer stehen hat. Sollte man nämlich mit einem alten Röhrenfernseher Diktator spielen wollen, muss man entweder ganz nah vors Gerät oder mit einer Lupe arbeiten. Die Schrift ist in diesem Fall nämlich dermaßen klein, dass man fast nichts erkennt.
Postkartenmotive Egal, wie rational die Synapsen eines Spielers nun aber ticken, auch das Auge eines Buchhalters isst ja bekanntlich mit und entsprechend haben die Entwickler von Tropico 3 großen Wert auf die Grafik des Spiels gelegt. Diese Sorgfalt merkt man den verschiedenen Inseln auch in jeder Minute an. Tropico 3 präsentiert auf dem PC wie auch auf der Xbox 360 eine frei zoom- und drehbare, sehr detaillierte Darstellung seiner Inselwelt, in der weder Palmen noch lokale Architektur oder die unvermeidlichen amerikanischen Oldtimer vergessen wurden. Auf dem PC sieht das ganze zwar deutlich schärfer aus, dennoch überzeugt Tropico 3 sowohl aus technischer wie auch aus atmosphärischer Perspektive auf beiden System auf ganzer Linie, so dass bei fernwehgeplagten Spielern schnell erste Tagträume auftreten. Und die sind angesichts des bescheidenen Hardware-Hungers auch auf dem PC deutlich günstiger zu haben als ein realer Trip in die Karibik.
Weniger wäre mehr Etwas übertrieben haben es die Verantwortlichen allerdings bei der Soundkulisse der Inseln. Windrauschen, Motorlärm und Möwenschreie gehen alle in Ordnung, das penetrante und andauernde Latin Music-Genöle, dass uns Kalypso als „authentisch“ verkaufen will, dürfte aber nur den Geschmack der wenigsten Spieler treffen. Dabei steht natürlich außer Frage, dass Havannas Straßen eben nicht von Country-Musik beschallt werden (zum Glück), etwas dezenter hätte man den „Latin-Soundtrack“ aber dennoch gestalten können, schon mit Rücksicht auf durchschnittlichen Hörgewohnheiten der Zielgruppe.
Niedliche Diktatoren Während alles obige (abgesehen von der Grafik vielleicht) auch problemlos schon über den ersten Teil gesagt werden konnte, ist die Dynamik der letzten Jahre im Videospiel-Geschäft natürlich nicht spurlos an der Entwicklung von Tropico 3 vorbei gegangen. Am deutlichsten wird das bei der Neuerung des El Presidente-Avatars. Denn anders als zuvor ist das vom Spieler verkörperte Staatsoberhaupt nun direkt steuerbar, was für lustige Abstecher in die Städte der Insel genutzt werden kann. Reden, Hinrichtungen, Betriebsvisitationen... alles, was ein Diktator so den lieben Tag lang tut, ist auch in Tropico 3 möglich. Spieltechnisch relevant ist es allerdings selten.
Wenn man so drüber nachdenkt... Angesichts dieser Aufzählung ist aber natürlich anzumerken, dass man für den unbeschwerten Tropico 3-Spaß über einen gewissen politisch-moralischen Sarkasmus verfügen sollte. Nur wer Erschießungen, ungenierte persönliche Bereicherung auf Kosten der Ärmsten und das Leben als Massenmörder locker sehen kann, wird an Tropico 3 Freude finden. Denn auch wenn die simulierten, historischen Ereignisse des Spiels das Geschehen in den kalten Krieg verschieben und so eine gewisse zeitliche Distanz schaffen, sollte politisch gebildeten Zeitgenossen so mancher Lacher im Halse stecken bleiben. Aber eine gesunde Reflexion des eigenen Vergnügens kann ja pädagogisch nur sinnvoll sein.
Fazit:
Auch wenn es sich bei Tropico 3 im Großen und Ganzen um ein aufpoliertes, aber eben doch im Grunde gut 8 Jahre altes Spiel handelt, entwickelt die Kalypso/Haemimont-Produktion schnell ihren Reiz. Eine Nation zu führen, dabei selbst im Luxus zu schwelgen und den Palmen beim Wachsen zusehen: Es gibt unentspanntere Wege, den Abend zu verbringen. Auch wenn man dabei schnell einen Hass auf die ach so feurige Latin Music entwickeln kann. Dank leicht zugänglicher und fordernder Umsetzung der eigentlich ja eher betrüblich/trockenen Materie stört das aber nur am Rande. Angesichts der Spätfolgen hätte vielleicht auch Freund Fidel seine Herrschsucht elektronisch ausleben sollen...
Was auf dem PC funktioniert, funktioniert auch auf der Xbox 360 hervorragend. Zwar sollte man unbedingt einen HD-Fernseher sein eigen nennen, doch wenn dies der Fall ist, steht der Karriere als Diktator nichts mehr im Wege. Genau wie auf dem PC stehen einem auch auf der Xbox 360 unendlich viele Möglichkeiten offen, wie man sein Volk regieren will. Soll es unterdrückt werden oder soll man auch die Bevölkerung am privaten Reichtum teilhaben lassen? Alles ist möglich! Und das auch noch mit einer komfortablen Steuerung (was bei einem Wirtschaftssimualtionsspiel auf der Konsole nicht alltäglich ist).
Wer also schon immer wissen möchte, was Fidel Castro so den ganzen Tag getrieben hat, kann dies ab sofort auch auf der Microsoft-Konsole machen.
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Autor der Besprechung:
Max Link
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