Enslaved: Odyssey to the West
Entwickler:
Namco Bandai
Publisher:
Ninja Theory
Genre:
Action
USK Freigabe:
Freigegeben ab 16 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
46,49 €
Systeme:
PlayStation 3, Xbox 360
Inhalt:
Die Entwickler Ninja Theory haben mit ihrem Erstling Heavenly Sword für HD-Konsolen ihr Können eindrucksvoll bewiesen. Ein tolle Story, tiefgründige Charaktere und ein einmaliges atmosphärisch dichtes Gameplay. Nun schicken sie Enslaved ins Rennen, das sich auf den ersten Blick verdammt nach Genreprimus Uncharted 2 anfühlt. Doch wir haben auch einen zweiten Blick gewagt und dieser fördert noch ganz andere Eigenheiten ans Licht.
Meinung:
New York zerfällt, Wolkenkratzer neigen sich gefährlich zur Seite, sind von Kletterpflanzen überwuchert, Straßenzüge sind fast unerkennbar zerstört, die Natur hat sich den Stadtdschungel zurückgeholt. Und die Menschen? Nur noch wenige an der Zahl, und diese kämpfen ums Überleben gegen Sklavenschiffe und die überall anzutreffenden Roboter. So zaubert Enslaved ein erfrischend grünes Endzeitalter das sich gekonnt vom postnuklearen Szenario der restlichen Vertreter absetzt.
Grandioser Auftakt Der Anfang ist episch inszeniert und kann sich locker auf eine Stufe mit Uncharted 2 stellen. Man selbst beginnt als Monkey das Abenteuer auf einem der Sklavenschiffe, wo er gefangen in einer Kapsel seinem traurigen Schicksal entgegen blickt. Doch das Schicksal hat anderes vor und wie der Zufall es will, kommt man aus der Kapsel frei – und die Flucht beginnt. Während der spektakulären Flucht, welche gekonnt als Tutorial angelegt ist, macht man erste Bekanntschaft mit der hübschen Trip, die auch selber Gefangene ist. Allerdings scheint diese nicht wirklich um ein gesundes Miteinander bemüht. Kurz, sie schert sich einen Dreck um einen und denkt nur an ihre eigene Flucht.
So nimmt man die Verfolgung und gleichzeitig seine eigene Rettung auf und versucht vom abstürzenden Sklavenschiff per Rettungskapsel zu entkommen. So prügelt man sich mit ersten Combos durch Robohorden, blockt selber beeindruckend inszenierte Angriffe der Gegner ab, hangelt sich in schwindelerregender Höhe an der äußeren Hülle des Schiffes zu den Rettungskapseln und genießt die optische Wucht vom zerstörten New York, den fetten Explosionen und herumschwirrenden Schiffsteilen. Ninja Theory, Hut ab – ihr habt einen der für mich packensten und dynamischten Einstiege überhaupt kreiert.
Zu Zweit ist man stark Am Boden unsanft angekommen, erstmal durchatmen und das fette Grinsen aus dem Gesicht wischen. Bleibt das jetzt etwa so? Wird das der Actionknaller überhaupt? Erst einmal wird der Grundstein für das weitere Gameplay gelegt. Denn unser guter Monkey, bewusstlos vom Absturz der Rettungskapsel, wird von Trip mit einem modifiziertem Sklavenstirnband an die Kette gelegt. Das heißt: Wenn Trip etwas sagt, muss Monkey spuren! Und noch viel schlimmer, stirbt Trip, ist auch Monkey Geschichte. Und damit wären wir beim elementaren Gameplay: Trip auf ihrer Reise durch die Endzeit begleiten und beschützen.
Dabei kann man Trip - um schneller voran zu kommen - huckepack nehmen oder sie an höhere Stellen werfen, man kann ihr Befehle geben und so Gegner ablenken lassen oder Schalter betätigen. Es entwickelt sich ein leicht kooperatives Spiel mit KI-gesteuertem Partner. Dies ist auch zwingend nötig, da gerade am Anfang die Gegner oft über enorme Feuerkraft verfügen und man selbst schnell verwundet wird. Langsames Vorgehen, die Deckung nutzen und Feinde zu zweit austricksen steht eher an der Tagesordnung, als wie Rambo durch die Level zu pflügen. Dabei besteht das Spiel zu ungefähr gleichen Teilen aus Erkunden und Klettern, dem Kampf gegen Widersacher und dem Lösen von kleineren Rätseln.
Spielspaßabfall Also Spielspaß Non-Stop in wunderbarer Kulisse?! Leider nein. Denn nach dem grandiosen Einstieg und dem Sich-Kennen-Lernen der Charaktere, drückt Ninja Theory gewaltig auf die Bremse. Was folgt, ist eine von der Atmosphäre her zwar faszinierende Reise durch ein zerstörtes New York, aber auch ein Gameplay, welches von Kapitel zu Kapitel mehr in die Belanglosigkeit abrutscht. Warum? Das liegt vor allem an der gewöhnlichen Umsetzung.
Wer Uncharted 2 kennt, wird sich beim Erkunden der grünen Endzeit schnell zurecht finden. Stellen, an denen man mit Monkey hangeln, greifen oder klettern kann, sind durch einen Schimmer leicht hervorgehoben. Daneben springen kann man meist auch nicht. So entsteht ein toll animiertes Kraxelvergnügen, welches zum größten Teil aber durch simple Richtungsangaben per Analogstick oder das X-Tasten-Bashen geregelt wird. Abwechslungen durch richtiges Timing, Zeitvorgaben oder das plötzliche Abbröckeln der eben noch sicheren Haltemöglichkeit kommen leider viel zu selten vor.
Durchwachsenes Kampfsystem Und auch das Kampfsystem ist zwar optisch äußerst packend inszeniert, bietet aber gerade im Hinblick auf die Konkurrenz zu wenig Tiefgang. So gibt es zwar leichte und schwere Schläge, doch lassen sich keine Combos damit vom Pad feuern. Als alternative Angriffe stehen ein "Machtschlag" (durch Aufladen eines leichtes Angriffs), der Gegner kurzzeitig lähmt, und einem großem Schwinger, der alle Gegner ein wenig zurückstößt, zur Verfügung. Hier hätte aber mehr geboten werden müssen. Neben dem Nahkampf kann man seinen Kampfstab als Fernkampfwaffe benutzen. Je nach Munitionstyp macht man Schaden oder betäubt die feindlichen Roboter. Gepaart mit den meist immer gleichen Gegnern, kann Enslaved das Nachlassen der anfänglichen Begeisterung leider kaum aufhalten.
Zum Glück gibt es aber gut inszenierte Bosskämpfe oder spielerische Auflockerungen wie Hooverboard-Fahrten, die leider rar an der Zahl sind, oder spielerische Motivation durch die Möglichkeit, seinen Charakter zu verbessern. Dies geschieht durch rote Orbs, die überall in den Leveln versteckt sind oder von Gegner hinterlassen werden. Die Verbesserung des Charakters ist meist sofort spürbar und lässt einen wesentlich länger überleben bzw. gewisse Attacken erweitern oder verbessern.
Spielmotivation Doch mit fortschreitender Spielzeit wächst weiterer Unmut an. Wieso wird kein Wort über den Hintergrund dieser grünen Endzeithölle verloren? Was ist mit den Robotern? Wer ist überhaupt Monkey? Das Spiel stellt einen vor viele Tatsachen, ohne diese im Ansatz zu erklären. Plötzlich bröckelt auch der letzte Pfeiler: die Atmosphäre. Wird das jetzt der totale Verriss?
Der emotionale Paukenschlag Nein, denn Ninja Theory machen auch in Enslaved das richtig, was die Entwickler auch schon bei Heavenly Sword ausgezeichnet hat: die glaubwürdige Inszenierung von Charakteren und das Erzählen einer emotionalen Geschichte. Wer das erste Drittel durchhält - für hartgesottene Nörgler vielleicht auch fast die Hälfte - wird plötzlich gepackt von Ereignissen, die den Charakteren Leben einhauchen. Es interessiert nicht mehr woher oder warum die Roboter kommen, es ist völlig egal wieso New York zerstört ist, was zählt ist das Zusammenspiel zwischen Trip und Monkey und wie diese sich verändern, ihre Zuneigung oder Ablehnung, ihre Taten und Ziele.
Dies ist stellenweise auch aus technischer Sicht (Gesichtsanimationen oder die Natürlichkeit der vielem kleinen Gesten) so herausragend umgesetzt, dass es die obigen Gameplayschwächen mit einer Hand vom Tisch fegt. Später gesellt sich übrigens mit Pigsy noch ein dritter Protagonist hinzu, der dem Ganzen hier und da eine humorvolle Note verleiht.
Zweischneidige Technik So wie das durchschnittliche Gameplay im ständigen Kontrast zu der Geschichte und ihren Charakteren steht, so sehr ist auch die Technik von Enslaved ein ständiges Auf und Ab. Von der Gestaltung der fantastischen Spielwelt können sich manche Spiele eine Scheibe abschneiden. Überall gibt es weite Ausblicke auf die grotesk anmutende Welt, die zum Verweilen einladen, nur erreicht die grafische Qualität bei weitem kein Uncharted 2-Niveau. Viel schlimmer ist das Dilemma allerdings beim Sound.
Die tolle musikalische Untermalung und Synchronisation wird - zumindest für Zocker mit Surround Sound über ein optisches Kabel - torpediert. Denn leider unterstützt das Spiel nur HDMI: Heißt, wer das nicht besitzt, wird extremen Lautstärkeschwankungen, gerade was die Unterhaltungen betrifft, ausgesetzt. Das nagt gewaltig an der Atmosphäre. Ein Patch ist schon zwar schon angekündigt und erscheint wohl mit dem ersten kommenden DLC, trotzdem sollte so etwas eigentlich nicht passieren.
Fazit:
Was für eine Achterbahnfahrt! Ein wahrlich grandioser Auftakt, den uns Ninja Theory bei Enslaved beschert. Alles sieht nach einem weiteren Action-Adventure-Hit a la Uncharted 2 aus. Die Welt fasziniert dabei mit ihrer Vision einer dschungelartigen grünen Endzeit in New York. Aber irgendwann hat man sich satt gesehen und im Gameplay passiert einfach zu wenig. Zudem drückt die Leichtigkeit der meisten Rätsel und Sprungpassagen schwer auf den Spielspaß. Dazu gesellt sich der Unmut, das man über die Hintergründe der Welt so rein gar nichts erfährt, und man ärgert sich über technische Schwächen, vor allem im Bereich der Akustik.
Was episch anfängt, fällt im Laufe der ersten Stunden so auf ein durchschnittliches Niveau. Was dieses Spiel dann rettet, sind die beiden bzw. später drei Hauptcharaktere, die so toll animiert und mit erstaunlich menschlichen Gesten präsentiert werden. Ninja Theory schnürt so eine emotionale Bindung, das man spielerische Defizite völlig vergisst und die Geschichte um Trip und Monkey einfach erleben möchte. So ist Enslaved kein Spiel was man "spielen" muss, sondern eine Geschichte die man erlebt haben sollte.
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Autor der Besprechung:
Christian Jacob
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