Ich gehe wohl nicht falsch in der Annahme, wenn ich sage, dass so gut wie jeder, der diese Buchbesprechung gerade liest, bereits den siebten Star Wars-Film gesehen hat. Und wahrscheinlich liege ich auch nicht falsch, dass man sich doch die eine oder andere Info mehr über die neuen Helden des Films gewünscht hätte. Was für ein Sturmtruppler war Finn, was für eine Person ist Rey und warum ist Poe eigentlich ein so guter Pilot? Wenn auch Du Dich all dies gefragt hast, dann ist Star Wars: Vor dem Erwachen genau das richtige für Dich, denn in dem Roman wird all dies und noch mehr beantwortet.
Wobei Roman eigentlich gar nicht die richtige Beschreibung für das Werk ist, denn der Autor Greg Rucka hat dazu gar keinen durchgängigen Roman geschrieben, sondern drei Kurzgeschichten, die sich auf 220 Seiten aufteilen und jeweils einer Person gewidmet sind.
Den Anfang macht dabei Finn, oder besser gesagt FN-2187, denn genau so wird er hier genannt. Schließlich behandelt die rund 60-seitige Geschichte seine Sturmtruppen-Ausbildung und da die Sturmtruppler der Ersten Ordnung eben nur mit Kennziffern angesprochen werden, ist hier eben nicht von Finn sondern von FN-2187 die Rede. Trotz dieses sperrigen Namens (für andere Sturmtruppler hat sich Rucka etwas griffigere Spitznamen ausgedacht) ist seine Geschichte sehr interessant, da sie bisher seltene Einblicke in die Ausbildung eines Sturmtruppensoldaten zeigt. Hier zeigt sich, dass sich unter den weiß glänzenden Anzügen, die in den Filmen immer so perfekt agieren, tatsächlich Menschen mit Schwächen und Zweifeln befinden. Ganz nebenbei erfährt man auch etwas über Captain Phasma. Leseprobe: Sie waren nur zu viert in ihrem Team, und weil Sätze wie „FN-einundzwanzig-siebenundachtzig, Vorsicht, hinter dir!“ nicht gerade fix über die Lippen kommen, hatten sie sich auf Kurzfassungen verlegt, was praktischer war, wenn Blastersalven um sie herumzischten. Vor Offiziellen – speziell Captain Phasma – benutzten sie natürlich die korrekten Bezeichnungen. Aber in den Quartieren und im Kampf sprachen sie sich mit den Namen an, die sie sich gegenseitig oder auch selbst gegeben hatten.
FN-2199 hieß Nines, also „Neuner“, ganz einfach weil er fand, das es sich gut anhörte. FN-2000 hatte den anderen gesagt, sie sollten ihn Zeroes, also „Nuller“, nennen, da er durchaus stolz darauf war, eine glatte Tausenderzahl zugeteilt bekommen zu haben. Er hielt sich dadurch für etwas Besonderes. Entweder hatte ihn nie jemand darauf aufmerksam gemacht, dass eine „Null“ zu sein, nicht unbedingt etwas war, worauf man stolz sein konnte, oder es interessierte ihn schlichtweg nicht.
FN-2003 war der Einzige mit einem echten Spitznamen. Sie nannten ihn Slip, „Patzer“. Er schien immer eine Spur langsamer und ein wenig unbeholfener als der Rest des Teams zu sein – und das war nicht nur eine körperliche Sache. Bei Einsatzbesprechungen oder Übungseinheiten hatte man manchmal den Eindruck, dass die Befehle nicht recht bei ihm ankamen, dass er nicht vollends begriff, was genau oder wie er etwas tun sollte.
FN-2187 war einfach Acht-Sieben, wenn jemand aus dem Team seine Kennung abkürzen wollte. Das geschah allerdings nicht allzu oft. Für den Ausbildungskader und seine Kameraden war er einer der besten Sturmtruppler, den sie je gesehen hatten. Er brachte alles mit, was seine Ausbilder sich wünschten – Loyalität, Pflichtbewusstsein, Tapferkeit, Gewandtheit und Stärke.Egal welche Prüfung, egal welche Beurteilung, FN-2187 gehörte immer zum obersten Prozent. Somit war er nur FN-2187 und auf dem besten Weg, zum perfekten Sturmtruppler der Ersten Ordnung zu werden. Zumindest dachten das alle – bis auf FN-2187 selbst.
Die zweite Kurzgeschichte erstreckt sich über 70 Seiten und ist Rey gewidmet. So spannend und interessant wie die von Finn ist Reys Geschichte leider nicht. Dennoch erfährt man auch über sie einige Sachen, die im Film außen vor blieben. Vor allem zeigt sie, wie hart ihr Leben als Schrottsammlerin war, lässt einen Anteil an ihrer Gedankenwelt haben und zeigt, wie sie einige ihrer Fähigkeiten erlangt hat. Leseprobe: Die Teedos nannten den Sturm X'us'R'iia. Er hatte einen Namen, weil die Teedos glaubten, dass es nur den einen gab – ein und denselben, der wieder und wieder zurückkehrte. Es war der Atem der Gottheit R'iia, sagten die Teedos.
R'iaa war keine wohlwollende Gottheit, und dementsprechend wurde der Sturm für eine Vielzahl von Dingen verantwortlich gemacht. Auf ihn ging die Hungersnot zurück, unter der dieser Teil von Jakku vor Jahren zu leiden hatte. Er war der Grund, warum das Wasser verschwunden war. Seinetwegen wurden ihre Luggabiester unruhig. Er war verantwortlich für die Eindringlinge, die ihr Land heimsuchten. Vor allem war er es, der vor so vielen Jahren die riesigen, mit so vielen zarten Wesen gefüllten Metalltrümmer in den Sand stürzen ließ. Diese Schiffsfriedhöfe waren ein Mahnmal für R'iias Zorn, erzählten sich die Teedos. Sie waren eine Warnung, die die Eindringlinge in Niima immer wieder missachteten, was den Teedos gar nicht gefiel.
Die meisten Teedos waren harmlos – auf ihre eigene Art einfache Plünderer und Schrottsammler, ganz ähnlich wie Rey und die anderen. Doch es gab auch orthodoxe Teedos – wahre Fanatiker, die sowohl ihresgleichen als auch die fremden Schrottsammler angriffen und behaupteten, dass das, was diese taten, Blasphemie gegenüber R'iia sei. R'iaa würde sie alle für ihre Sünden bestrafen. Der X'us'R'iaa würde es ihnen alle Heimzahlen.
In der dritten und somit auch finalen Geschichte geht es um Poe, über den im Film relativ wenig bekannt gegeben wurde. Um so interessanter ist es nun, nachlesen zu können, wie er zu dem Fliegerass wurde, das er im Film schlussendlich ist. Dazu wird auch einiges seiner Herkunft und Kindheit beschrieben. Und auch der eigentliche Star des Films, BB 8 sowie General Organa werden hier kurz erwähnt. Leseprobe:
Poe Damerons erstes Schiff war der RZ-1-A-Flügler seiner Mutter. Es war ein guter kleiner Jäger, häufig repariert und von all den Jahren gezeichnet, die er bereits seinen Dienst tat. Als Abfangjäger war der A-Flügler mehr auf Geschwindigkeit als auf Stärke ausgelegt. Zwei Laserkanonen, eine an jeder Seite des Rumpfs, sorgten für ausreichend Feuerkraft, um jeden Nahkampf zu bestehen – zumindest wenn der Kampfpilot am Steuer sich einen ausreichenden Vorteil verschaffen konnte. Zudem konnten zwei am Bug montierte Vibroraketenwerfer allem, was kleiner als ein Großkampfschiff war, den Tag verderben. Der Jäger war bei Sublichtgeschwindigkeit atemberaubend schnell und wirkte wie ein bewaffnetes Cockpit, an das man hinten zwei Triebwerke angehängt hatte, anstatt wie ein traditioneller Sternenjäger. Er sprach in nulla Komma nichts auf die Steuerung an, war extrem leistungsstark und von nur einem Piloten zu fliegen – ohne Kopilot und die Hilfe eines Astromechdroiden.
Der A-Flügler war Teil der Vergütung gewesen, die seine Mutter erhalten hatte, als Poes Eltern etwa sechs Monate nach der Schlacht von Endor aus dem aktiven Dienst für die Rebellion ausgeschieden waren, und er hatte sie zu ihrem neuen Zuhause in der noch jungen Kolonie auf Yavin 4 begleitet. Sie flog ihn noch einige Jahre, hauptsächlich für zivile Schutzmaßnahmen, und nahm Poe dabei immer wieder mit. Er saß in dem beengten Cockpit auf ihrem Schoß, hatte die Hände am Steuerknüppel, und ihre Hände lagen auf den seinen. Er konnte spüren, wie das Schiff auf Bewegungen reagierte, konnte fühlen, wie es durch die Luft zischte und dem atmosphärischen Druck ebenso wie der Anziehungskraft widerstand.
Insgesamt eine wirklich interessante Geschichte, die viel Neues über Poe verrät, wenngleich man natürlich nicht zu viel erwarten darf. Innerhalb von knapp 80 Seiten lässt sich eben nur begrenzt etwas erzählen. Das gilt im Übrigen natürlich auch für die beiden anderen Geschichten.
Zudem darf man auch keine hochtrabende Literatur erwarten. Alles ist eher jugendgerecht geschrieben, was echte Star Wars Fans aber dennoch nicht davon abhalten dürfte, viel Spaß mit den Geschichten zu haben.
Dies gilt auch für die wunderschönen Zeichnungen von Phil Noto, die am Anfang ein Porträt des jeweiligen Charakter und mitten drin nochmals eine Impression zeigen und alles ein wenig auflockern.
Fazit: Auch wenn mitnichten die ganze Vorgeschichte zu Das Erwachen der Macht erzählt wird, sind die drei Kurzgeschichten die in Star Wars: Vor dem Erwachen enthalten sind, interessant und lesenswert. Trotz der Kürze werden durchaus viele neue Informationen zu Finn, Rey und Poe erzählt (zumindest gilt dies für Finn und Poe), womit dieses Buch perfekt eine Art Vorbereitung oder Ergänzung zum Film darstellt. Star Wars: Vor dem Erwachen findet ihr für 9,99 Euro bei Amazon, direkt bei Panini oder im gut sortierten Buchhandel. |