USA – da fallen einem in Sachen Sport natürlich zunächst die vier großen Sportligen MLB, NFL, NBA und NHL ein. Daneben gibt es aber noch eine fünfte Sportart, die sich ebenfalls großer Popularität erfreut. Die Rede ist von der NASCAR-Serie, die mit Abstand beliebteste Motorsport-Serie der USA und die Stars hervorgebracht hat, die dort jedes Kind kennt.
Hierzulande fristet NASCAR hingegen ein Nischendasein. Die Rennen werden zwar live im Fernsehen übertragen und das offizielle Spiel ist hier ebenfalls zu erwerben, dennoch kann hier kaum jemand etwas mit den Namen Kyle Busch, Jimmie Johnson oder Dale Earnhardt anfangen.
Natürlich gibt es aber auch hier einige Fans und Experten der amerikanischsten aller Motorsportarten. Der größte Fan und Experte ist dabei wohl Pete Fink. Der Journalist und TV-Kommentator ist so etwas wie die deutsche Koryphäe in Sachen NASCAR, der so ziemlich alles über die Rennserie weiß, was er auch jeden Sonntag eindrucksvoll auf Motorvision TV während der Live-Übertragungen unter Beweis stellt. Er glänzt aber nicht nur im TV mit seinem Expertenwissen, vieles davon hat er auch in mittlerweile drei Büchern niedergeschrieben. Das erste davon, „Phänomen NASCAR 1“, stellt dabei wohl das wichtigste Werk dar. Zwar schon 2012 geschrieben/erschienen, beinhaltet es auf insgesamt 430 Seiten (wovon 30 Seiten wunderbare Farbaufnahmen aus der NASCAR-Welt sind) alle wichtigen und wissenswerten Fakten und Geschichten, die man als NASCAR-Newbie, aber auch als langjähriger Fan, wissen muss.
Den Anfang macht dabei Pete Fink selbst, der von seiner ersten Reise zu einem der legendärsten NASCAR-Rennen berichtet (damals auf Einladung des Red Bull-Teams, das es mittlerweile leider nicht mehr gibt) und dabei eindrucksvoll die Faszination, die die gesamte Serie und im Speziellen das Rennen in Bristol, Tennessee, dem inoffizielle Tempel der NASCAR und Epizentrum der ganzen Rennserie, ausmacht, schildert. Wenn man es bisher noch nicht war, ist man spätestens nach diesen ersten paar Seiten von der NASCAR-Serie fasziniert – so beeindruckend schildert er hier seine Eindrücke.
In den folgenden Kapiteln erfährt man dann etwas über die Geschichte des NASCAR-Sports, wobei Fink tiefer in die Materie geht, als man sich das vorstellen könnte. Das beste Beispiel dafür ist wohl das zweite Kapitel „Moonshine, Bootlegger und der Last American Hero“, in dem es um den Ursprung des NASCAR-Sports geht. Normalerweise würde man nun meinen, hier etwas über die Prohibition zu lesen – schließlich weiß man ja selbst hier, dass NASCAR seine Ursprünge zu eben jener Zeit hatte, als illegale Schnapsbrenner ihren „Moonshine“ in die Flüsterkneipen schaffen mussten und ihre Autos dazu mit immer stärkeren Motoren ausstatten, um vor der Polizei flüchten zu können. Doch weit gefehlt. Der Autor erklärt uns, dass die Ursprünge sogar auf das Jahr 1791 und einen Menschen namens Alexander Hamilton zurückzuführen sind. Genau so geht es auch weiter. Sei es die Zeit der NASCAR-Gründung, der sogenannte „Krieg der Werke“ in den 1960ern oder das legendäre Duell zwischen „King“ Richard Petty und „Silverfox“ David Pearson – alle Geschichten sind voller bisher (zumindest für den Otto-Normal-Fan) unbekannter Fakten und Anekdoten.
Auch wenn Fink in die „Modern Era“ übergeht, also die Zeit in den 1970er Jahren, geht es nicht minder interessant weiter. Auch hier erfährt man wieder genauso viele, unzählige, wissenswerte Dinge, wie anschließend über Dale Earnhardt. Kaum zu glauben, wie viele Anekdoten und interessante Geschichten Fink über den wohl bekanntesten NASCAR-Piloten aller Zeiten, der 2001 nach einem tragischen Unfall während des Daytona 500-Rennens verstorben ist, auspackt.
Es folgen die 1980er mit der „nächsten Generation“ an Fahrern, ein ganzes Kapitel über Jeff Gordon, die 1990er und deren prägendste Fahrer wie Tony Stewart oder Dale Earnhardt Jr.
Danach kommt Fink in den 2000ern an, wobei zunächst noch einmal über Dale Earnhardt und dessen tragischen Unfall geschrieben wird. Hier geht es ausnahmsweise mal nicht ganz so humorvoll zu – was aber natürlich nur angebracht ist. Aber keine Bange, anschließend findet Fink wieder zu seinem auch aus dem TV bekannten Wortwitz und schreibt in herrlich erfrischender Form über die Einführung des Chase – also der Playoffs, in denen der Champion gekürt wird - oder den Start der Ära des Jimmie Johnson. Auf den kommt er später auch nochmal zurück und zwar wenn es darum geht, dass er mit seinem siebten Titelgewinn Geschichte geschrieben hat. Zwischendurch geht er aber noch auf das Car of Tomorrow und die sogenannte „Open-Wheel-Gang“ ein, also jene Fahrer, die aus der Formel-Szene in die NASCAR wechselten, so wie etwa Juan Pablo Montoya, Max Papis oder A.J. Allmendinger, der ja heute noch im NASCAR Monster Energy Cup fährt. Natürlich darf hier dann auch Danica Patrick nicht fehlen, die damals ja auch von der IndyCar Series zur NASCAR gewechselt ist und dort für viel Aufsehen und Aufregung gesorgt hat. Auch zu Patrick hat Fink natürlich einige Anekdoten auf Lager, zum Beispiel, wieso sie beileibe nicht von allen geliebt wurde. Zu guter Letzt kommt Fink auch noch auf die deutschen Fahrer zu sprechen, die es in der NASCAR versucht haben. Auch hier weiß Fink natürlich wieder zahlreiche interessante Geschichten zu erzählen.
Leseprobe
“Green, Green, Green!“ 160.000 Menschen um mich herum rasten komplett aus. Rund 38.000 PS werden direkt auf meine Gehörgänge losgelassen. Der unvergleichliche Sound von 43 tief brüllenden V8-Motoren bohrt sich tief in meine Eingeweide. Mein ganzer Körper vibriert im Inferno dieser 850-PS-monster, die gerade an mir vorbeifliegen und in die erste Kurve einbiegen. Keiner sitzt mehr. Alle stehen und schreien sich die Seele aus dem Leib. Die gesamte Arena erzittert in ihren Grundfesten. Die scheinbar bin in den Himmel ragenden Tribünen sind so steil, dass diese infernalische Geräuschkulisse nirgendwohin entweichen kann. Ein Hexenkessel. Eine wahre Gänsehautorgie aus menschlichen Emotionen und technologischer Kraft. Es ist ein Motorsport-Schauspiel über mehr als vier Stunden. Jeder einzelne der 43 High-Speed-Junkies ballert alle 15 Sekunden dicht an mir vorbei. Eine Fahrbahn mit nur 800 Metern Länge, zwei kurzen Geraden, dazu zwei mächtige Steilkurven mit 30 Grad Überhöhung. Überschaubar in jeden noch so kleinen Winkel. Intensiver geht es nicht. Der pure Wahnsinn.
Vor wenigen Augenblicken hat das Sharpie 500 begonnen und ich bin mittendrin in diesem Circus Maximus. Wir schreiben den August 2007 und ich denke mir heimlich, still und leise: Herzlich Willkommen im Kolosseum der NASCAR! Welcome to Bristol Motor Speedway!
Es ist ein absolutes Phänomen. Über 50 Rennen in Folge oder ein Vierteljahrhundert war der Bristol Motor Speedway zweimal pro Saison ausverkauft und die Warteliste für normale Bristol-Tickets war ellenlang. Die Eintrittskarten werden ganz einfach von einer Generation an die nächste weitervererbt. Ohne Hilfe geht in Bristol für Außenstehende gar nichts und genau diese Hilfe kann in meinem Fall von Red Bull-Teamchef Günther Steiner. Ich fühle mich wie nach einem Sechser im Lotto.
In aller Bescheidenheit: Ich glaube, ich habe in meinem Motorsportleben schon viel gesehen. Ich habe das verrückte Schumi-Zeitalter in Hockenheim und auf dem Nürburgring erlebt, ich habe die Gerhard-Berger-Mania im alten Zeltweg mitgemacht. Ich war zigmal im königlichen Parco von Monza bei den italienischen Tifosi und kenne die Gegend rund um Silverstone wie meine Westentasche. Hungaroring, Imola, den Norisring und, und, und. “Das kannst du alles vergessen“, sagte Steiner irgendwann zu mir. “Komm mal nach Bristol und du wirst die verrückteste Motorsport-Party überhaupt erleben.“
Wie so viele andere auch, hat mich das NASCAR-Fieber irgendwann in den 1990er Jahren gepackt. Damals gab es noch kein Internet, unsere mittlerweile so klein gewordene Welt war noch richtig groß. Die amerikanischen Südstaaten waren weit weg, die Formel 1 hattest Du hingegen direkt vor deiner europäischen Nase. Und so wuchsen wie alle mit Niki Lauda und Co. auf.
Plötzlich brachte Eurosport Orte wie Daytona und Talladega auf unsere Bildschirme. Plötzlich sahen wir haarsträubende Rad-an-Rad-Duelle, die zumindest ich bislang in dieser Form nicht gekannt hatte. Dale Earnhardt in der schwarzen 3, Mark Martin in der 6, Bobby Labonte in der grünen 18. Was für ein Wahnsinn! Später habe ich meine USA-Trips dann so geplant, dass ich auf dem Weg nach Key West “zufällig“ in Homestead vorbeikam, oder in Las Vegas beim obligatorischen Wüstentrip “zufällig“ am Las Vegas Motor Speedway vorbeischauen konnte. Der Badeurlaub in Florida fand nicht in Miami Beach, sondern natürlich in Daytona statt, weil es dort ja “viel schöner“ ist. Aber in Bristol, in der tiefen Pampa genau an der Grenze zwischen Virginia und Tennessee, war ich noch nie.
Fazit:
In der heutigen Zeit muss man ja schon beinahe Angst haben es zu sagen, doch ich bin ein riesiger Fan der NASCAR. Es ist einfach unglaublich, wenn 40 Piloten mit ihren 750 PS-starken Boliden mit weit über 300 km/h knapp an der Mauer vorbeirasen. Umso glücklicher bin ich, dass es in Deutschland jemanden wie Pete Fink gibt, der nicht nur genauso fasziniert von der Rennserie ist, sondern sich auch noch auskennt wie kein zweiter und dieses Wissen in einem, wie ich finde, grandiosen Buch weitergibt. Was man in Das Phänomen NASCAR 1 alles über die Geschichte und die NASCAR-Series erfährt, ist der Wahnsinn.
Mit seinem Wortwitz, den vielen Anekdoten und der in jeder Zeile spürbaren Begeisterung fesselt er einen von der ersten bis zur letzten Seite. Aus diesem Grund kann ich das Werk auch nur jedem Motorsportfan empfehlen, ganz gleich, ob man nun schon NACAR-begeistert ist oder nicht – danach ist man es auf jeden Fall!
Wer danach noch immer noch nicht genug über die NASCAR gelernt hat, der kann sich anschließend auch noch Das Phänomen NASCAR 2 und Das Phänomen NASCAR 3 zulegen, in denen Fink noch mehr interessante Geschichten niedergeschrieben hat. Spätestens dann weiß man wirklich ALLES über NASCAR.
Zu kaufen gibt es Das Phänomen NASCAR zu einem preis von 39,95 Euro auf amazon.de, im Buchhandel oder direkt auf der Webseite von Pete Fink. |