Wir alle träumen davon, alles hinter uns zu lassen und unserer wahren Leidenschaft nachzugehen. In den meisten Fällen bleiben es aber eben Träume. Umso faszinierter sind wir, wenn sich tatsächlich jemand traut, sie doch in die Tat umzusetzen – so wie etwa Markus Torgeby.
Der 1976 in Nordschweden geborene Torgeby war ein sehr talentierter Marathon- und Ultraläufer. Doch aufgrund des Leistungsdrucks, den sein damaliger Trainer auf ihn ausübte, entschloss er sich mit gerade einmal 20 Jahren, alles hinter sich zu lassen, und zog in den abgeschiedenen schwedischen Wald, um ein Einsiedlerleben zu führen und sich seiner wahren Leidenschaft zu widmen: dem Laufen.
Ganze vier Jahre lang lebte er in einem Zelt in der Wildnis und trotzte den rauen schwedischen Wintern. Die Erfahrungen, die er in dieser Zeit in den Wäldern von Jämtland sammelte, haben sein Leben derart geprägt, dass er sich dazu entschied, eine autobiografische Geschichte zu schreiben. Während das Buch in Schweden schon längst ein Bestseller ist, ist Bis an die Grenzen des Seins – Mein Leben als einsamer Läufer in der schwedischen Wildnis nun auch in Deutschland erhältlich.
Markus Torgeby beschränkt sich in seinem Buch nicht nur auf die Zeit in der Wildnis. Auf den ersten Seiten des ersten von insgesamt fünf Kapiteln, erfährt man einige persönliche Dinge, die vor seinem Aufbruch in die Wildnis geschahen. So schreibt er hier etwa über seine Kindheit, wie er seine Liebe zum Laufen fand, aber auch über seine kranke Mutter.
Wenig später erfährt man, weshalb er sich überhaupt dazu entschlossen hat, in die Wildnis zu ziehen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war auf der einen Seite die Erkrankung seiner Mutter, aber auch die fehlenden Ergebnisse in Wettkämpfen und der immer stärker werdende Druck seines Trainers, der selbst Verletzungen nicht scheute, sowie der damit einhergehende nachlassende Spaß am Laufen. Aufgrund dessen kam er zu der Erkenntnis, dass sich in seinem Leben unbedingt etwas ändern musste. Weshalb es dann gerade die schwedische Wildnis war, erfährt man zum Abschluss des ersten Kapitels.
Was er dort alles erlebte, beschreibt Torgeby im folgenden Kapitel. Gerade in diesem Kapitel ist das Buch nicht nur eine Autobiografie, sondern auch zu einem großen Teil eine Art Lebenshilfe-Buch, in dem man erfährt, wie man selbst bei widrigsten Bedingungen Durchhaltevermögen beweist. Es ist eindrucksvoll zu lesen, wie es Torgeby schafft, dem harten schwedischen Winter zu trotzen – das hätten wohl nicht viel geschafft. Man liest hier aber nicht nur von seinem unglaublichen Durchhaltevermögen, sondern auch, wie er bei seinen Ausflügen in die nächste Ortschaft neue Bekanntschaften machte und wenig später sogar wieder an einem Laufwettbewerb teilnahm, der sein Leben ein weiteres Mal auf den Kopf stellte.
Am Lauf nahmen nämlich auch Sportler aus Afrika teil. Weil Torgeby dermaßen fasziniert von ihren Fähigkeiten war, entschloss er sich, aus dem schwedischen Wald nach Tansania zu ziehen. Was er während seines sechs Monate andauernden Afrika-Aufenthaltes erlebte, wie er mit den Afrikanern trainierte und vieles mehr, erfährt man im dritten Kapitel.
Im vierten Kapitel dreht sich alles um seine Rückkehr aus Afrika. Auch diesmal steht wieder eine große Veränderung in seinem Leben an, die er aber, auch aufgrund all seiner vorherigen Erfahrungen, wieder mit Bravour meisterte.
Im fünften und letzten Kapitel blickt Torgeby zehn Jahre später noch mal auf die Geschehnisse zurück, schreibt, wie er die Zeit nun sieht und welche Auswirkungen sie auf sein späteres Leben hatte.
Leseprobe:
Jämtland, Nordschweden, Herbst 1999
ES IST NACHMITTAG. Die Sonne ist müde, aber das Licht ist warm, und ich laufe vom Slagsån hinauf zum Sumpf unterhalb vom Romohöjden. Der Schnee bleibt auf dem Åreskutan liegen. Ich laufe über den Sumpf, und meine Beine fühlen sich leicht an.
Mit riesigen Schritten laufe ich über die Berghänge, bis hinunter zum Indalsälven und vorbei am Ristafallet. Ich folge dem Pfad am Fluss entlang und komme wieder zum Hügel. Drei Kilometer geht es steil bergauf. Ich bewege mich mühelos, gelange wieder zum Sumpf und habe die Sonne im Rücken.
Dann höre ich den Ruf eines Elchs. Ich bleibe stehen. Nach einer Weile höre ich, dass ein anderer Elch ein Stück weiter entfernt antwortet. Ich lege Daumen und Zeigefinger an die Nase, rufe selbst, und beide Elche antworten.
Sie sind beide ziemlich nah, und ich bleibe ruhig stehen. Schließlich kommen sie 30 Meter voneinander entfernt in den Sumpf. Ich bewege mich nicht. Sie sich auch nicht, und ihre großen Ohren sind wie Satelittenschüsseln in meine Richtung gedreht. Wir bilden ein Dreieck – der Bulle, die Kuh und ich. Die Elche haben die Abendsonne in den Augen und den Wind im Rücken.
Ihre Beine sind lang und dünn, und sie sehen stark aus.
Ich laufe weiter, die Elche auch. Es kracht im Wald, als sie verschwinden.
Am Helgesjön angekommen, ziehe ich mich aus und springe hinein. Ich schwimme so lange, bis der Schlamm und Schweiß abgewaschen sind. Ich reibe mir die Achselhöhlen mit Sand ein und gehe nackt durch den Wald nach Hause zum Zelt.
Ich ziehe mir Unterwäsche, dicke Socken und meine Mütze an. Es dampft aus meinem Mund, wenn ich ausatme. Ich gehe in den Wald, um Birkenrinde und kleine Zweige zu sammeln, um sie als Anmachholz zu benutzen, und spalte Holz für später, wenn das Feuer richtig brennt. Ich lege immer dickere Äste nach, erhalte das Feuer, bis es warm im Zelt ist, und trockne die Plane.
Der Wald ist ruhig. Mein Gesicht ist warm vom Feuer. Draußen bildet die Dunkelheit eine Wand.
Ich esse Knäckebrot mit Butter und trinke warmes Wasser. Nachdem das Feuer heruntergebrannt ist, gehe ich ins Bett. In meinem Tagebuch halte ich die Ereignisse des Tages fest und beobachte die Sterne durch den Rauchabzug.
Mir gefällt es, in meinen Schlafsack eingepackt dazuliegen und die kalte Nachtluft im Gesicht zu spüren.
Fazit:
Zu Lesen wie Markus Torgeby zunächst in die schwedische Wildnis und später nach Tansania zog und welche Strapazen er dabei auf sich nahm, alles nur um seiner wahren Leidenschaft, dem Laufen, mit ganzen Herzen nachzugehen, ist faszinierend und macht demütig. Schließlich hat man selbst ganz bestimmt auch eine Leidenschaft, doch würde man alles stehen und liegen lassen, um ihr voll und ganz nachgehen zu können? Genau das macht es schwer, das Buch überhaupt wieder aus der Hand zu legen. Man möchte einfach wissen, wie Torgeby die Kraft und das Durchhaltevermögen aufbrachte, all dies zu schaffen.
Kurz gesagt: Ein wirklich faszinierendes Buch, selbst für Couchpotatoes wie mich, die schon ins Schwitzen kommen, wenn sie im FIFA mit ihrem Spieler einmal quer über den virtuellen Platz rennen.
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