Neues Jahr, neue WASD. Pünktlich zum Jahreswechsel brachten Christian Schiffer (dessen sympathischen Auftritt eventuell einige im Gametube Sternstunde-Spendenstream gesehen haben) und sein Team die nunmehr 16. Ausgabe ihres Bookazines für Gameskultur auf den Markt. Diesmal dreht sich in diesem alles um das große Thema „Gerechtigkeit in Computerspielen“.
Bevor ich genauer auf den Inhalt eingehe, möchte ich aber zunächst einmal kurz auf das Coverdesign zu sprechen kommen. Hier haben sich die Macher nämlich mal wieder selbst übertroffen. Zwar ist dort diesmal kein besonders einprägsames Bild, sondern einfach nur der Schriftzug „Gerechtigkeit“ in einem heißen Pink (wie es in GTA V genannt werden würde) abgebildet, was es dennoch besonders macht, ist das Papier. Dieses ist nämlich kein herkömmliches, sondern ein reißfestes Transparentpapier, durch das die darunter befindliche Seite durchschimmert. Da erst dort überhaupt das WASD-Logo sowie der Untertitel des aktuellen Heftes (Fairness und Computerspiele) aufgedruckt sind, bekommt man hier quasi ein zweigeteiltes Cover, das man dennoch auf den ersten Blick sieht. Eine meines Wissens bisher einzigartige und unfassbar stylische Idee, die hier einfach kurz anerkannt werden musste.
Nun geht es aber ohne weitere Umschweife zum Inhalt der aktuellen WASD. Wie immer wird auch in dieser das vorgegebene Thema wieder auf unterschiedlichste Art und Weise angegangen. Vom Gefühl, das in einem aufkommt, wenn man mal wieder eine unglückliche Niederlage in Rocket League einstecken musste, über die unfairsten Levels aus Mario Maker, bis zu der Frage, welche Gerechtigkeitsmechaniken aus Spielen man auf die Gesellschaft übertragen könnte, ist hier wieder alles vertreten. Alle Essays und Themen aufzuzählen, würde wieder den Rahmen dieses kleinen Reviews sprengen (ganz abgesehen davon, dass es mehr Spaß macht, selbst zu entdecken, wie einfallsreich die verschiedenen Gastautoren wieder beim Aufgreifen des Titelthemas waren), weshalb ich hier exemplarisch nur auf ein paar, meiner Meinung nach, ganz besonders interessante Artikel eingehen möchte.
Als erstes wäre da der Artikel von Daniel Ziegener, der in „Ehre, wem Ehre gebührt“ über das kopieren/stehlen von Spielideen schreibt. Ganz konkret nennt er hier das Beispiel Minecraft, das seinen Entwickler Markus Persson zum mehrfachen Milliardär machte. Doch nur die wenigsten Wissen, dass Minecraft auf einem Spiel namens Infiniminer basiert, dessen Entwickler Zachary Barth aber mitnichten für immer ausgesorgt hat. Ziegener erzählt hier aber nicht nur die Geschichte von Zachary Barth, sondern zeigt auch noch andere Beispiele des Ideenklaus auf und beweist somit, dass kopieren/stehlen ganz normal in der Gaming-Industrie ist.
Als ebenfalls sehr interessant empfand ich das Essay „50 Shades of White“ von Svenja Borchert. Hier zeigt sie nämlich, dass Games auffallend weiß sind. Damit meint sie nicht, dass es keinerlei schwarze Charaktere gibt, aber dass die Technik, mit der Spiele gemacht sind, wie etwa die Ausleuchtung, Charaktereditor oder Skin Shader, allesamt für weiße Hauttöne optimiert sind. Ich finde diesen Artikel vor allem deswegen so interessant, weil mir das ganz ehrlich noch nie so sehr aufgefallen ist. Aber jetzt, mit diesem Hintergrundwissen, fällt mir das tatsächlich in sehr vielen Spielen auf.
Politisch nicht ganz so wichtig angesiedelt, aber dafür umso unterhaltsamer, ist Andrè Karstens „Achtung! Achtung! Hier spielt die Polizei!“, in dem er echte Polizisten fragt, wie realistisch Polizeiarbeit in Videospielen dargestellt wird. Es dürfte zwar kaum jemanden verwundern, dass sie selbst in Simulationen nicht sehr realistisch wiedergegeben werden, doch wie sehr sich fiktionaler und realer Polizeidienst unterscheiden, ist dennoch sehr interessant zu erfahren.
Als letztes möchte ich noch auf den Artikel „Die 100er Wertung des Spielejournalismus: Deutsche Wertungstradition – eine Retrospektive“ von Michael Brandmiller hinweisen. Gerade als jemand, der selbst seit Jahren Spiele testet und somit auch seit Jahren damit zu kämpfen hat, welche Wertungen er Spielen geben soll, ist es sehr aufschlussreich, einmal zu erfahren, woher die (auch auf SplashGames) geltende 10er/100er Wertung samt den typischen Unterkategorien überhaupt stammt.
Wer hat damit angefangen und warum sind es gerade 10 bzw. 100? Warum hat sich gerade dieses System durchgesetzt? All das erfährt man in diesem sehr schön geschriebenen Artikel und bekommt dazu auch noch einige Bilder vergangener Wertungskästen zu sehen.
Für mich als direkt Betroffenen, aber auch für jeden, der Spieltests „nur“ liest, ist dieser Artikel ein wirklich sehr interessanter Blick in die Geschichte der deutschen Videospielbranche.
Wie gesagt, sind dies nur ein paar von zahlreichen weiteren Essays zum Thema „Gerechtigkeit in Computerspielen“. So unterschiedlich sie auch ausfallen mögen, eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind alle sehr interessant und zeigen, wie ungerecht Computerspiele eigentlich sind.
Wie immer besteht die WASD aber nicht nur aus Essays zum aktuellen Hauptthema. Darüber hinaus gibt es auch wieder die mittlerweile sehr beliebten Kolumnen wie etwa „Mein Leben in Videospielen“ sowie die Kult-Serie „Quartett der Videospielskandale“, in der diesmal die Skandale von November 2016 – Januar 2017 enthalten sind.
Außerdem durften einige Autoren auch wieder über Themen schreiben, die sie selbst interessierten. Michael Förtsch nutzt diese Gelegenheit etwa dazu, um uns zu berichten, dass er die Games seiner Kindheit mit sich „schleppt“ und fragt sich, ob das wohl auch andere machen, wohingegen Christian Huberts das ernste Thema „Computerspielsucht“ aufzeigt – sehr lesenswert!
Unterhaltsamer geht es bei der „WASD Award-Show“ zu, in der Mitarbeiter der WASD neben dem ihrer Meinung nach besten Spiel des Jahres 2019 auch Awards für den „besten neuen, aber unnötigen Genre-Begriff“, „bestes Jubiläum“, „bestes Geräusch“ und das „beste Esport-ist-kein-Sport-Argument“ vergeben.
Zu guter Letzt gibt es die von mir so sehr geliebten Spieletestes, wobei diese sich dieses Mal auf ein einziges Spiel beschränken. Bei diesem Spiel handelt es sich um Football Drama, das mit einer satirischen Sicht auf den Fußballzirkus einen Gegenpol zu FIFA und PES darstellt. Was genau sich dahinter verbirgt, lässt uns Jan Rudolph wissen. Wie immer handelt es sich dabei um keinen Test im eigentlichen Sinne, sondern eher um einen Erfahrungsbericht. Doch genau das ist es, was die Tests in der WASD so ausmacht, weshalb ich persönlich es auch sehr bedauerlich finde, dass sie immer weniger werden. Ich hatte sehr viel Spaß damit, zum Beispiel zu lesen, wie jemand von seinen ersten Schritten im Landwirtschafts-SImulator oder anderen Spielen berichtet und würde mich sehr freuen, die in Zukunft wieder öfter lesen zu können.
Fazit:
Auch wenn es sehr bedauerlich ist, dass meine geliebten Spieletests immer weniger werden, hat mir auch die 16. Ausgabe der WASD wieder ausgesprochen gut gefallen. Das liegt nicht nur an dem ausgefallenen Coverdesign, sondern in erster Linie wieder an den zahlreichen interessanten und abwechslungsreichen Essays. Manche sehr ernst, andere eher unterhaltsam, drehen sie sich doch schlussendlich alle um das Thema „Gerechtigkeit in Computerspielen“ und zeigen so auf eindrucksvolle Art, auf welch unterschiedliche Weise man ein vorgegebenes Thema angehen kann.
Kaufen kann man die aktuelle, sowie alle älteren Ausgaben der WASD, für 15,90 Euro auf der offiziellen WASD-Website. Wer die Herausgeber besonders unterstützen möchte, kann auch die Förderausgabe für 19,90 Euro kaufen.