Die zurückliegende EM war für die deutsche Nationalmannschaft alles andere als erfolgreich. Einer der wenigen Lichtblicke war Robin Gosens, der etwa mit seinem Tor zumindest kurzzeitig für Euphorie gesorgt hat. Dabei haben sich viele gefragt, wer dieser Gosens überhaupt ist, schließlich spielte der gebürtige Emmericher in seiner Profikarriere noch nie in Deutschland, und ist (bzw. war) deswegen nur Fußballexperten ein Begriff. Dabei ist der bisherige Karriereweg des 27-Jährigen wirklich bemerkenswert, wie man in seiner Biografie Träumen lohnt sich - Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi, die dieses Jahr im Verlag erschien, nachlesen kann.
Die Karrierewege heutiger Fußballprofis ähneln sich immer sehr stark: noch in Jugendzeiten (am besten in der C- oder B-Jugend) wechseln sie zu einem der großen Vereine, genießen dort die schulische und fußballerische Ausbildung an der hiesigen Akademie und werden so langsam an die Profimannschaft herangeführt. Wenn es in 19 oder 20 Jahren noch nicht für die 1. Mannschaft reicht, werden sie ausgeliehen oder verkauft. Es gibt aber auch immer wieder Ausnahmen. Spieler, die einen anderen, ungewöhnlichen Weg gehen. Ein solcher Spieler ist zum Beispiel der jetzige FC Köln-Kapitän und 43-malige Nationalspieler Jonas Hector, der bis zu seinem 20. Lebensjahr beim kleinen, saarländischen Dorfverein Auersmacher spielte. Auch der Weg von Robin Gosens war alles andere als normal. Mit 17 spielte er noch in der A-Jugend des VfL Rhede in der Niederrheinliga, wo er nicht etwa wie seine Altersgenossen in den großen Jugendakademien von früh bis spät auf das Profigeschäft vorbereitet wurde, sondern ein ganz normales Teenager-Leben führte, wozu auch die obligatorischen Partys in der Dorfdisko vor den sonntäglichen Spielen gehörten. Die Chance, dass solch ein Spieler irgendwann in der Champions League und sogar in der Nationalmannschaft spielen würde, ist wahrscheinlich geringer als ein Sechser im Lotto. Und doch sollte nach einer besonders langen Party-Nacht der Grundstein für Gosens kommende Profikarriere starten. Ziemlich übermüdet und noch mit reichlich Restalkohol im Blut spielte er mit seiner Mannschaft gegen den größten Rivalen in Kleve und machte dort sein wohl bisher bestes Spiel. Ein Tor, eine Vorlage und ein herausgeholter Elfmeter war Gosens Bilanz beim 3:1 gegen den Rivalen, was nicht nur seine Mannschaftskollegen erfreute, sondern auch einen Scout des niederländischen Vereins Vitesse Arnheim. Der war so vom Auftritt begeistert, dass er nicht etwa seinem eigentlichen Scouting-Ziel, einem Spieler von Kleve, sondern Robin Gosens ein Probetraining anbot. Nach ein wenig Überlegen und einem abgelehnten Angebot von Twente Enschede sagte er zu und so landete Robin Gosens nach einem überzeugenden Probetraining in der A-Jugend des niederländischen Erstligisten. Auch wenn es dort dann, auch aufgrund einer Kooperation zwischen Arnheim und Chelsea London, schlussendlich nicht für die Profimannschaft gereicht hat, war dies doch der Startschuss für Gosens Profikarriere. Nach einer Leihe in die niederländische 2. Liga nach Dordrecht wechselte er anschließend für zweihunderttausend Euro Ablöse zu Heracles Almelo. Dort blieb er zwei Jahre und entwickelte sich zum Stammspieler, wodurch er auch ins Visier von Atalanta Bergamo geriet, wohin er dann im Juli 2017 auch wechselte. Beim lombardischen Verein gelang ihm dann endgültig der Durchbruch und er sorgte sowohl in der Serie A als auch in der Champions League für Furore.
All diese Karriereetappen erzählt Robin Gosens gemeinsam mit Journalist Mario Krischel auf sehr sympathische Art und Weise. Dabei lässt er es auch nicht aus, über beinahe zustande gekommene Transfers oder über Probleme mit einem früheren Manager zu schreiben. Als besonders interessant empfand ich den Schreibstil. Anders, als es in Biografien normalerweise die Regel ist, erzählt Gosens seinen Karriereweg nicht chronologisch, sondern wechselt in den Jahren hin und her. So bekommt man zum Beispiel zunächst etwas über seine A-Jugendzeit zu lesen, danach über die Corona-Zeit und wie er und die Mannschaft von Atalanta Bergamo sie erlebt haben und danach etwa über seine Kindheit. Dieser Wechsel sorgt für eine sehr dynamische Lesestruktur, die nicht nur Spaß macht, sondern auch dafür sorgt, dass man als Leser gerne weiterliest, weil man einfach wissen möchte, was wohl als nächstes kommt.
Fazit: Fußballer-Biografien ähneln sich in der Regel sehr. Für Robin Gosens gilt dies nicht. Er hat seinen Weg zum (erfolgreichen) Profifußballer auf sehr ungewohnte Weise beschritten. Diese nachzulesen, ist sehr interessant und macht obendrein auch noch sehr viel Spaß. Denn auch wenn die Biografie in Zusammenarbeit mit einem Journalisten entstanden ist, erkennt man die typische Art von Gosens in jedem geschriebenen Satz. Wer wissen möchte, woher der, aus deutscher Sicht, einzige Lichtblick der zurückliegenden Europameisterschaft kommt und was für ein Typ er ist, dem empfehle ich, diese sehr unterhaltsame Biografie unbedingt zu lesen!
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