Gerne werden Spiele als interaktive Filme bezeichnet. Doch selten war dieser Vergleich so passend wie bei Late Shift. Denn bei dem Spiel aus dem Hause Wales Interactive handelt es sich um sogenanntes FMV-Spiel, also ein Full Motion Video-Spiel.
Ein schrecklicher Abend
In Late Shift dreht sich alles um Matt. Dieser ist eigentlich Mathematik-Student, nachts arbeitet er aber noch in einem Londoner Parkhaus, in dem in erster Linie teure Luxuskarossen geparkt werden. Normalerweise ist es ein ruhiger Job, doch diesmal ist alles anders. Diesmal blickt er nämlich plötzlich in die Mündung einer Pistole und ist schneller als er es sich versieht Fahrer eines Ganoven. Doch damit ist es noch nicht genug. Da sein Entführer verletzt ist, kann er seinen Kumpels nicht beim anstehenden Coup behilflich sein, also muss Matt auch hier ran und so wird aus dem bis dahin unbescholtenen Studenten plötzlich ein gesuchter Gangster...
In den Film eingreifen
Wie es in einem FMV-Spiel üblich ist, wird das gesamte Vorgehen anhand eines Realfilmes gezeigt, in dem u.a. Joe Sowerbutts als Matt zu sehen ist. Das Gameplay beschränkt sich dabei auf Entscheidungen, die man treffen muss - vergleichbar mit den bekannten Telltale Spielen. Genau wie dort, hat man auch hier stets mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, die sich später auf die Story auswirken. Welche Auswirkungen dies sind, weiß man natürlich nicht, weshalb man abwägen muss, ob es sinnvoll ist z.B. seinen Platz kurz zu verlassen, um der jungen Dame behilflich zu sein oder ob man später sogar den bevorstehenden Coup sabotiert.
Was sich sehr interessant anhört, entpuppt sich aber schon bald als Problem. Wie in einem echten Film hat auch Matt einen bestimmten Charakter, nämlich den eines unschuldigen, einsamen und deswegen auch leicht frustrierten Studenten. In einem normalen Film würden sich diese Charakterzüge durch den gesamten Film ziehen, wodurch das Verhalten kaum variieren und so ein stimmiges Bild gezeichnet werden würde. Hier hat allerdings der Spieler das Handeln des Charakters in der Hand. Und da Spieler gerne ihre Meinung ändern und in einer Szene noch der zurückhaltende Typ sind, in der nächsten dann aber die offene Konfrontation suchen, nur um danach wieder der schüchterne Typ zu sein, entsteht ein völlig widersinniger Charakter, den es so in keinem Film geben würde.
Mehr erhofft
Es liegt aber nicht nur am Spieler und seinen Entscheidungen, das Late Shift nicht so recht funktionieren will. Auch die Schreiber haben daran mit Schuld. Das Drehbuch, dass sie geschrieben haben, weißt nämlich doch einige gravierende Schwächen auf. So ist nicht nur die Darstellung der Nebencharaktere extrem klischeehaft, auch in der Story gibt es verschiedene Stellen, die nicht weitererzählt werden oder plötzlich etwas anderes erzählen. Zudem werden die Charaktere gar nicht richtig vorgestellt, so dass man keine Bindung zu ihnen aufbauen kann und am Ende bleiben auch noch eine Menge offener Fragen bestehen. Da hätte ich mir bei jemandem, der zumindest am Drehbuch von Sherlock Holmes (der mit Robert Downey Jr.) mitgearbeitet hat, wie es bei Co-Autor Michael Robert Johnson der Fall ist, doch etwas mehr erhofft.
Die Schauspieler können an all dem nichts. Sie geben größtenteils ihr Bestes. Auch optisch ist Late Shift gelungen, wobei man hier natürlich keine spektakulären Special Effects erwarten darf. Denn auch wenn das Spiel aller höchstens 80 Minuten dauert, mussten durch die zahlreichen Entscheidungen, die der Spieler treffen kann und den dadurch variierenden Storyverlauf, inklusive sieben unterschiedlicher Enden, knapp vier Stunden gedreht werden - und das mit einem Budget von gerade einmal 1,5 Millionen Dollar. Klar, dass es bei einem solchen Budget auch keine deutsche Synchronisation gibt und man stattdessen mit Untertiteln vorlieb nehmen muss. Das diese allerdings dermaßen miserabel ausgefallen sind, das man manche Sätze gar nicht versteht, ist damit aber nicht zu entschuldigen.
Dies gilt ebenso für die fehlende Möglichkeit Sequenzen vorzuspulen oder gar erst in einem bestimmten Kapitel zu starten. Dabei wäre beides gerade in Anbetracht dessen, was das Spiel mit seinen unterschiedlichen Enden ja offensichtlich möchte, dass man es öfters durchspielt, doch sehr sinnvoll gewesen. So muss man aber immer wieder den gesamten Film anschauen, bis man endlich zu der Stelle kommt, an der man eine andere Entscheidung treffen möchte. Ob sich dies wirklich jemand sieben Mal antut, möchte ich bezweifeln.
Fazit:
Die Idee eines FMV-Spiels in Spielfilmlänge klang wirklich interessant. Jedoch offenbart Late Shift auch die Problematik, die ein solches Vorhaben mit sich bringt: man muss ein Drehbuch haben, das über die gesamte Länge gut geschrieben ist und dabei auch noch die zahlreichen Spieler-Entscheidungen logisch mit einbaut. Genau dies ist hier aber nicht der Fall. Selbst ohne die Entscheidungen des Spielers gibt es in Late Shift oft Logikprobleme, Charaktere werden kaum oder gar nicht vorgestellt und am Ende wird die Geschichte unzureichend aufgeklärt. Zusammen mit den schlechten deutschen Untertiteln und der fehlenden Möglichkeit bereits gesehene Sequenzen zu überspringen, ist Wales Interactives' Late Shift am Ende leider doch nicht mehr als ein nettes Experiment, das aber auch durchaus das Potenzial, das in solchen interaktiven Filmen steckt, aufzeigt.